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Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Titel: Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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ertönen ihre nächsten Worte. »Soldat, ich liebe euch alle …«
    Seine Waffe könnte sie im Bruchteil einer Sekunde töten, wenn er sie richtig anwenden würde. Aber er tut es nicht. Er schlägt damit auf sie ein, als ob sein Hitzesauger eine hölzerne Keule und er ein Wilder statt eines Mitglieds der Elitegarde von Kalma wäre.
    Wir wissen, was weiter geschieht.
    Sie stürzt unter seinen Hieben. Sie streckt die Hand aus. Sie zeigt direkt auf Jeanne, die in Feuer und Rauch gehüllt ist.
    Die Rattenfrau schreit zum letzten Mal auf, schreit in die Linsen der Roboterkamera, als ob sie nicht zu dem Soldaten, sondern zur ganzen Menschheit sprechen würde.
    »Ihr könnt sie nicht töten. Ihr könnt nicht die Liebe töten. Ich liebe dich, Soldat, ich liebe dich. Das kannst du nicht töten. Erinnere dich …«
    Sein letzter Schlag trifft sie ins Gesicht. Sie fällt rücklings auf das Pflaster. Er tritt mit seinen Stiefeln, wie man auf dem Band erkennen kann, direkt auf ihren Hals. Dann hüpft er mit einem sonderbaren kleinen Satz empor und landet mit seinem ganzen Gewicht auf ihrem zierlichen Genick. Er dreht sich mitten im Sprung, und wir sehen sein Gesicht, das voll von der Kamera aufgenommen wird.
    Es ist das Gesicht eines weinenden Kindes, schmerzerfüllt und entsetzt von der Erwartung noch größeren Schmerzes.
    Er hatte seine Pflicht tun wollen – und seine Pflicht hatte sich gegen ihn gewandt.
    Der arme Mann. Er muss einer der ersten Menschen gewesen sein, einer der Ersten in der neuen Welt, die versucht haben, Waffen gegen die Liebe einzusetzen. Liebe ist ein bitteres und mächtiges Ding, wenn man ihr in der Aufregung einer Schlacht begegnet.
    Alle Untermenschen starben auf diese Art. Die meisten starben lächelnd, mit dem Wort »Liebe« oder dem Namen »Jeanne« auf den Lippen.
    Der Bärenmann Orson blieb bis zuletzt übrig.
    Er starb auf sehr ungewöhnliche Weise. Er starb lachend.
    Der Soldat hob seinen Kugelwerfer und richtete ihn direkt auf Orsons Stirn. Die Kugeln besaßen einen Durchmesser von 22 Millimetern und eine Mündungsgeschwindigkeit von nur 125 Metern pro Sekunde. Man konnte damit widerspenstige Roboter oder ungehorsame Untermenschen erledigen, ohne das Risiko einzugehen, Gebäude zu beschädigen oder Wahre Menschen zu verletzen, die sich in diesen Gebäuden aufhielten.
    Orson wirkt auf den Bändern, die die Roboter aufzeichneten, als wisse er ganz genau, um was für eine Waffe es sich handelte. (Wahrscheinlich traf das auch zu. Die Untermenschen waren gewohnt, vom Tag ihrer Geburt an bis zu ihrer Beseitigung mit der Gefahr eines gewaltsamen Todes im Nacken zu leben.) Er zeigt keine Furcht, wie die Aufnahmen verraten; und er beginnt zu lachen. Sein Lachen ist warm, großmütig, entspannt – wie das freundliche Lachen eines glücklichen Ziehvaters, der sein Kind mit schlechtem Gewissen und verängstigt vorgefunden hat und genau weiß, dass das Kind Strafe erwartet, aber keine Strafe bekommen wird.
    »Schieß, Kerl. Du kannst mich nicht töten. Ich bin in dir. Ich liebe dich. Jeanne hat uns das gelehrt. Hör zu. Es gibt keinen Tod. Nicht für die Liebe. Ho, ho, ho, armer Kerl, fürchte dich nicht vor mir. Schieß! Du bist der Unglückliche. Du wirst weiterleben. Und dich erinnern. Und erinnern. Und erinnern. Ich habe aus dir einen Menschen gemacht, mein Freund.«
    »Was hast du gesagt?«, krächzt der Soldat.
    »Ich habe dich gerettet. Ich habe dich in ein wahres menschliches Wesen verwandelt. Mit Jeannes Macht. Mit der Macht der Liebe. Armer Tropf! Mach schon und erschieß mich, wenn dich das Warten unglücklich macht. Du wirst es ohnehin tun.«
    Wir sehen nicht das Gesicht des Soldaten, aber die Verkrampfung seiner Rücken- und Halsmuskeln verrät seine innere Erregung.
    Wir sehen, wie das große breite Bärengesicht in einem gewaltigen Flecken Rot aufglüht, als ihn die weichen langsamen Kugeln treffen.
    Dann schwenkt die Kamera herum.
    Ein kleiner Junge, vermutlich ein Fuchs, aber von fast perfekter menschlicher Gestalt, gerät ins Bild.
    Er ist größer als ein Baby, aber nicht groß genug wie die älteren Unterkinder, um die Bedeutung von Jeannes Lehre zu verstehen.
    Er ist der Einzige der Gruppe, der sich wie ein normaler Untermensch verhält. Er reißt sich los und rennt davon.
    Er ist gewitzt. Er rennt zwischen den Zuschauern hindurch, so dass die Soldaten keine Kugeln oder Hitzesauger gegen ihn einsetzen können, ohne die wahren menschlichen Wesen zu verletzen.
    Doch schließlich

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