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Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Titel: Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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zog den langen vergoldeten Draht aus ihrer Schürzentasche und ließ die daran befestigte Feldkugel auf den teppichbedeckten Boden fallen. Rasch, beflissen, mit der resoluten Geschicklichkeit der Frau eines Scanners, wickelte sie den Cranchdraht um seinen Kopf, dann spiralförmig um Hals und Brust. Sie umging geschickt die Instrumente, die in seine Brust eingelassen waren. Sie umging sogar die Strahlungsnarben rund um diese Instrumente, die Wundmale der Männer, die hinaufgegangen und hinausgefahren waren. Mechanisch hob er den Fuß, als sie den Draht zwischen seinen Beinen hindurchzog. Sie straffte den Draht. Sie schloss den kleinen Stecker an den Hochspannungsschalter neben seinem Herzleser an. Sie half ihm, sich zu setzen, legte seine Hände zurecht, drückte seinen Kopf sanft an die Rückenlehne des Sessels. Sie drehte ihn so, dass sein Gesicht ihr ganz zugewandt war und er leicht von ihren Lippen ablesen konnte. Ihr Gesicht blieb unbewegt.
    Sie kniete nieder, hob die Kugel am anderen Ende des Drahtes hoch, richtete sich gelassen auf, wandte ihm den Rücken zu. Er scannte sie und erkannte den Kummer, der aus ihrer Haltung sprach, der jedem anderen entgangen wäre, nicht aber den Augen eines Scanners. Sie sprach; er konnte erkennen, wie sich ihre Oberkörpermuskulatur bewegte. Sie bemerkte, dass sie ihn nicht ansah, und drehte sich so, dass ihre Lippen in seinem Blickfeld lagen.
    »Bist du bereit?«
    Er lächelte ein Ja .
    Sie drehte ihm wieder den Rücken zu (Luĉi hatte es nie ertragen können, ihm zuzusehen, wenn er unter den Draht ging). Sie warf die Drahtkugel in die Luft. Sie verfing sich in dem Kraftfeld und blieb dort hängen. Plötzlich begann sie zu glühen. Das war alles. Alles – bis auf das plötzliche rote, stinkende Gebrüll, mit dem sich die Rückkehr seiner Sinne ankündigte. Die Rückkehr über die wilde Grenze aus Schmerz.

I
    Als er unter dem Draht erwachte, hatte er nicht die Empfindung, als ob er soeben gecrancht hätte. Obwohl es das zweite Cranchen in einer Woche war, fühlte er sich kräftig. Er lag in dem Sessel. Seine Ohren tranken das Geräusch der Luft, die über die Gegenstände im Zimmer strich. Er hörte, wie Luĉi im angrenzenden Raum atmete, wo sie den Draht zum Kühlen aufhängte. Er roch die tausenderlei Düfte, die sich in jedem Haus befanden: die knusprige Frische des Bakterienbrenners, den süßsauren Geruch des Luftbefeuchters, den Duft des Essens, das sie gerade verzehrt hatten, die Gerüche der Kleidung, der Möbel, der Menschen selbst. All dies war reine Köstlichkeit. Er sang eine Strophe seines Lieblingsliedes:
    So ist’s für den Habermann, Auf-und-Hinaus!
Auf – oh – und hinaus – oh! Auf-und-Hinaus …
    Er hörte Luĉi im Nebenzimmer kichern. Er weidete sich an dem Rascheln ihres Kleides, als sie über die Türschwelle huschte.
    Sie schenkte ihm ihr aufgesetztes kleines Lächeln. »Es scheint, dir geht es gut. Ist mit dir auch wirklich alles in Ordnung?«
    Trotz des Luxus seiner Sinne benutzte er wieder seine Scannerfähigkeiten. Er griff auf die blitzschnelle Überprüfung zurück, die zu seinen beruflichen Aufgaben gehörte. Seine Augen glitten über die Anzeigen der Instrumente. Nichts wirkte bedrohlich, nur der Nervendruck stand an der Grenze zu dem Bereich, der Gefahr bedeutete. Aber er brauchte sich um die Nervenbox keine Sorgen zu machen. Dies brachte das Cranchen immer mit sich. Man konnte nicht unter den Draht gehen, ohne dass sich Auswirkungen an der Nervenbox zeigten. Irgendwann würde die Box auf Überlastung ansteigen und dann zurückfallen bis zur Marke Tod . Auf diese Weise endete ein Habermann. Aber man konnte nicht alles haben. Menschen, die ins Auf-und-Hinaus fuhren, mussten den Preis für das All zahlen.
    Wie dem auch sei – warum sich Sorgen machen! Er war ein Scanner. Ein guter Scanner, und er wusste es auch. Wenn er nicht scannen konnte, wer dann? Dieses Cranchen war nicht zu gefährlich. Gefährlich schon, aber nicht zu gefährlich.
    Luĉi streckte ihre schöne Hand aus und wühlte zärtlich in seinem Haar, als ob sie seine Gedanken gelesen hätte, statt sie nur zu verfolgen. »Aber du weißt, du hättest es nicht tun dürfen! Du weißt es!«
    »Aber ich habe es getan!« Er lächelte sie an.
    Mit erzwungener Heiterkeit sagte sie: »Komm, Liebling, machen wir uns eine schöne Zeit. Ich habe fast alles im Kühlschrank – all deine Lieblingsspeisen. Und ich habe zwei neue Duftplatten voller Gerüche. Ich habe sie selbst

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