Was bin ich wert
die Chance bei eins zu 10 000 liegt, ist die Zahlungsbereitschaft der einzelnen noch überschaubar. Einige wenige wären erfahrungsgemäß bereit, sehr viel auszugeben, eine andere kleine Gruppe würde eher wenig zahlen. Angenommen, der Durchschnittswert der Zahlungsbereitschaft beträgt 500 Euro, dann wird diese Summe durch das Todesrisiko dividiert (500 Euro : 1/10 000) und das Ergebnis von fünf Millionen Euro ist dann ein Wert für ein statistisches Leben.
Geht’s auch einfacher, frage ich und meine das Beispiel. Eigentlich nicht, sagt Spengler. Das Ganze sei schon ein bißchen kompliziert. In einem großen Teil der ökonomischen Literatur wird der WSL als ein sinnvolles Instrument für Kosten-Nutzen-Rechnungen im öffentlichen Finanzwesen beschrieben. Demnach sollte der »Wert des Nutzengewinns jeder öffentlichen Regulierung« abhängig sein von der entsprechenden Zahlungsbereitschaft der Staatsbürger. Wenn den Bürgern also ein statistisches Leben fünf Millionen Euro wert ist, würde das eine entsprechend hohe öffentliche Investition etwa in eine Ampel rechtfertigen, wenn sich dadurch mit statistischer Wahrscheinlichkeit ein Menschenleben retten ließe. Eine Ampel für sechs Millionen Euro würde sich demnach nicht »lohnen«.
Der Ansatz ist trotz seiner Verbreitung – vorsichtig gesagt – nicht ganz unumstritten. Die Hauptkritikpunkte zielen darauf, daß die Befragten Schwierigkeiten haben, die Wahrscheinlichkeiten richtig zu erfassen, daß sie sich grundsätzlich gegen die Fragestellung sperren oder daß sie strategisch antworten. Die Alternative zu diesem sogenannten Zahlungsbereitschaftsansatz beim WSL sind Lohn-Risiko-Studien. Dabei wird durch Untersuchungen des Arbeitsmarktes ermittelt,welcher Lohnaufschlag einem Arbeiter gezahlt werden muß, damit er ein höheres Unfallrisiko bei seiner Tätigkeit in Kauf nimmt. Dieses Risiko muß dann zur weiteren Berechnung genau bestimmt werden. Ein klassisches Beispiel in der Fachliteratur sind die Elefantenpfleger in Philadelphia, die im Jahr 1000 Dollar mehr bekommen als ihre Kollegen, weil Elefanten die meisten tödlichen Unfälle in ihrem Zoo verursachen. Um auf dieser Basis einen Wert für ein statistisches Leben zu ermitteln, muß man das genaue Risiko ermitteln. Hier lauten die Kritikpunkte, daß durchaus auch andere Faktoren, wie Ausbildung, körperliche oder seelisches Belastung und nicht zuletzt die Arbeitsmarktsituation, die Höhe der Löhne bestimmen. Und dann gibt es noch Menschen, die bereitwilliger Risiken in Kauf nehmen als andere.
Schließlich gibt es noch relativ ähnliche Berechnungen zum WSL , die auf Produktmarktstudien basieren. Dabei wird untersucht, inwieweit Konsumenten in Sicherheitstechnik – etwa Rauchmelder, Fahrradhelme, Airbags im Auto – investieren.
Alles in allem ist es kein Wunder, daß einzelne Studien zum Wert eines statistischen Lebens ganz unterschiedliche Ergebnisse aufweisen. Bei einem Vergleich mehrerer Studien – einer sogenannten Metastudie – in den USA , wo am meisten in diese Richtung geforscht wird, variierten die Ergebnisse beispielsweise zwischen 500 000 und über 20 Millionen Dollar. Bei einer ähnlichen Aufstellung von 34 ausschließlich europäischen Studien im gleichen Jahr lag die Spanne gar zwischen 200 000 und 119 Millionen Euro mit einem Durchschnittswert von 9,3 Millionen. Die enormen Bandbreiten werden in der Regel mit Unterschieden bei den Ansätzen (Selbstauskunft oder Lohn-Risiko-Studien), Beispielszenarien, Risikowahrscheinlichkeiten, Risikoaffinitäten der befragten Personengruppen u. ä. erklärt. Deswegen haben Durchschnittswerte, die sich aus einer möglichst großen Metastudie ergeben, eine wesentlich höhere Bedeutung als Werte, die auf einer einzelnen Untersuchung beruhen.
Für einen internationalen Vergleich veröffentlichte der »Papst« der internationalen WSL -Szene, Professor Kip Viscusi von der Vanderbilt University in Nashville, 2008 folgende auf Arbeitsmarktstudien basierende Zahlen zum Wert des statistischen Lebens in verschiedenen Ländern: [2]
Japan
9,7 Millionen Dollar
USA
7 Millionen Dollar (ein Mittelwert aus 30 Studien)
Schweiz
6,3 bis 8,6 Millionen Dollar
Australien
4,2 Millionen Dollar
Österreich
3,9 bis 6,5 Millionen Dollar
Kanada
3,9 bis 4,7 Millionen Dollar
Hong Kong
1,7 Millionen Dollar
Indien
1,2 bis 1,5 Millionen Dollar
Südkorea
0,8 Millionen Dollar
Taiwan
0,2 bis 0,9 Millionen Dollar
Neben den bereits erwähnten Erklärungen
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