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Was bin ich wert

Was bin ich wert

Titel: Was bin ich wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joern Klare
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mittelfristige Einsparmöglichkeiten von 20 Milliarden allein aufgrund einer besseren Vorsorgepolitik. Dazu gehört auch die vermeintliche Selbstverständlichkeit, den medizinischen Apparat nicht den finanziellen Interessen der Pharma- und Medizinindustrie zu überlassen. In Deutschland sind die Medikamentenpreise bei-
    spielsweise wesentlich höher als in anderen europäischen Ländern.
    Laut dem Arzneiverordnungs-Report 2010 sind die 50 umsatzstärksten Präparate bei uns um 98 Prozent teurer als in Schweden. Insgesamt beziffert der Bericht das Einsparpotenzial im Arzneimittelbereich der gesetzlichen Krankenversicherung ( GKV ) auf 9,4 Milliarden Euro. Das ist ein Drittel des derzeitigen GKV -Umsatzes bei Arzneimittel und ein Grund für die »explodierenden Kosten«, die zu den Krisenszenarien führen, in denen dann der Wert von Lebensjahren berechnet und limitiert werden soll.
    –   Aber wenn es mal soweit sein sollte und radikaler gespart werden muß?
    –   Dann wird es hart. Dann werden Menschen bestimmte Sachen, die sie für ihre Existenz brauchen, nicht länger bekommen. Das ist auch abhängig von der kollektiven und individuellen Leistungsfähigkeit.
    Für die »harten Zeiten« gibt es interessanten Trost vom US -amerikanischen Center for Disease Control, einer Behörde des Gesundheitsministeriums. Nach deren Schätzung ist der Einfluß der sozialen Umwelt und der Lebensweise auf die Sterblichkeit etwa doppelt so hoch wie der der ökologischen Umwelt und der biologischen Prädisposition, und diese sind wiederum doppelt so groß wie der Einfluß des Gesundheitswesens. Den größten Nutzen für die Gesundheit bringen demnach nicht Investitionen in die Medizin, sondern Ausgaben inanderen Bereichen wie Bildung, nichtmedizinische Forschung, Umwelt, Arbeitsbedingungen, Ernährung, Städtebau, Wohnungswesen, Verkehrswesen, Landwirtschaft, Lebensführung, Milieuverbesserung und Verringerung der Armut. Wenn die Gesundheitspolitik also eine gleichmäßig hohe Lebenserwartung und einen gleichmäßig hohen Gesundheitsstatus für alle Bevölkerungsschichten zum Ziel hätte, gäbe es durchaus auch überlegenswerte Alternativen zu unserem aktuellen Gesundheitssystem. Zumindest scheint es aufgrund solcher Studien effektiver zu sein, die vorhandenen Mittel für die Verbesserung der Lebensbedingungen sozial schwacher Menschen auszugeben, statt in hochmoderne Medizintechnik zu investieren. Aber das ist ein anderes Thema.
    Für Sawicki ist es ein großes Problem, daß sich die Forschung der Industrie fast ausschließlich auf Bereiche konzentriert, in denen sich Gewinne erzielen lassen.
    –   Vielleicht ist es ja bei einem Menschen mit Depressionen viel besser, wenn er persönliche Zuwendung erhält, anstatt Medikamente zu bekommen. So was wird gar nicht erforscht. Und die Politik fragt auch gar nicht danach, weil sie sich auf die Industrieforschung verläßt. Und wir erleben auch immer wieder, daß Studien, die der Pharmaindustrie nicht in den Kram passen, erst gar nicht veröffentlicht werden. Bei dem Überangebot an Leistungen und Möglichkeiten sagt das IQW i G heute öfter mal: »Nein, das brauchen wir nicht.« Aber wenn es uns mal schlechter geht, könnte das auch umgekehrt laufen.
    Dann könnte es tatsächlich darum gehen, ob wir uns das, was wir wirklich brauchen , überhaupt leisten können. Ob wir die knappen Mittel lieber in eine funktionierende Polizei oder ausreichende medizinische Versorgung investieren. Selbst dann, sagt Sawicki, wäre die Nutzung von QALY s keine Lösung, schon aus methodischen Gründen.
    –   Ein wirkliches Problem werden dann die willkürlich festgelegten Schwellenwerte wie etwa in England. Diese 30   000 Pfund, die ein QALY wert sein soll, wert sein darf. Wir hätten beim IQW i G auch so was machen können. Ich weiß ja, was die Gesundheitsökonomen fordern. Wir hätten einen Schwellenwert nehmen können, den wir beispielweise ausgehend vom internationalen Mittelwert bestimmen. Aber das ist natürlich Unsinn! Dann kommt man an den Punkt, daß irgendein qualitätsadjustiertes Lebensjahr nicht mehr erstattet wird. Zum Beispiel bei Nierenkrebs. In England ist das so gelaufen. Es heißt dann: »weil das Geld begrenzt ist.« Geld ist immer begrenzt! Ich kann mir keine ethische Begründung vorstellen, mit der ein Institut so was festlegen kann.
    –   Was ist, wenn alle Sparmöglichkeiten ausgeschöpft sind?
    –   Wenn das alles nichts bringt, muß die gewählte, demokratisch

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