Was dein Herz verspricht
Er kehrte zu seinem Schreibtisch zurück, setzte sich müde und lehnte sich in seinen Sessel. Er kannte Bascomb allerdings. Der Graf war der wohlhabende Besitzer der Hampton-Schiffahrtslinie, ein gewissenloser Hund, der sich nahm, was er wollte, ohne sich je um die Konsequenzen zu kümmern. Er benutzte Menschen nur zu seinen eigenen Zwecken, und danach trat er sie wie Insekten in den Staub.
Er war auch der verlogene Hurensohn, der dazu beigetragen hatte, daß er damals ins Gefängnis gekommen war. Der Gedanke an den Grafen von Bascomb in Zusammenhang mit einem unschuldigen jungen Mädchen wie Elizabeth Woolcot verwandelte das Blut in seinen Adern zu Eis.
Er konzentrierte seinen Blick auf den Mann, der ihm gegenüber saß. »Das Mädchen ist offensichtlich in einer üblen Lage«, sagte er. »Ich nehme an, Ihr wart schon bei der Polizei. Was haben die örtlichen Behörden zu der Sache zu sagen?«
Sydney gab einen gequälten Ton von sich. »Bascomb hat die Behörden im Griff. Der Graf ist der reichste Mann von Surrey - einer der reichsten in England - und von Gesetz wegen hat er nichts falsch gemacht. Abgesehen davon wißt Ihr genausogut wie ich, daß Bascomb vorhat, sie zu heiraten, selbst wenn er sie vorläufig nur entführen würde. Wenn man Elizabeth’ gegenwärtige Lage bedenkt, würde jeder Richter des Landes die Tatsache, daß sie dabei die Gräfin von Bascomb werden wird, als puren Glücksfall für sie betrachten.«
Nick seufzte und spürte, wie sich die Niederlage schwer auf seinen Schultern breitmachte. »Also gut, Sydney. Ich kann verstehen, was Ihr meint. Ich werde tun, was ich kann, um ihr zu helfen, aber hierbleiben kann sie einfach nicht.«
Sydney beugte sich vor, die Hände nervös auf seinen Schenkeln zu Fäusten geballt. »Ihr habt sie erst ganz kurz kennengelernt. Laßt sie mich hereinholen, damit Ihr persönlich mit ihr sprechen könnt. Das ist doch sicher nicht zuviel verlangt.«
Nick wandte den Blick ab, denn der flehende Blick in Sydneys Gesicht bereitete ihm Unbehagen. Widerstrebend nickte er. Sein Freund hatte einen weiten Weg auf sich genommen, um hierherzukommen. Da konnte er ihm den Gefallen tun, wenigstens mit dem Mädchen zu reden.
Der kleinere Mann hastete zur Tür und riß sie auf. Zu Nicks Erstaunen stand dort schon Elizabeth Woolcot. Sie kam aus dem Gleichgewicht, kippte nach vorn und stolperte ins Zimmer. Nur Sydneys Geistesgegenwart bewahrte sie davor, kopfüber auf dem eingelegten Parkettboden zu landen. Unter den gegebenen Umständen löste sich nur das Band an ihrer Haube, die dabei in eine Zimmerecke segelte und sie barhäuptig zurückließ. Üppige Kringel von glänzendem rotbraunem Haar lockten sich widerspenstig um das Gesicht.
Zum erstenmal verstand Nick, warum Oliver Hampton sie so unbedingt besitzen wollte.
»Ich - äh, es tut mir leid«, stammelte sie. »Ich wollte nur... ich wollte...«
Nick erhob sich aus seinem Sessel. »Was wolltet Ihr, Miss Woolcot? Ich glaube, das nennt man Lauschen. Oder nicht?«
Ihre Wangen tönten sich heftig dunkler. Sie hatte hohe, zart geschnittene Wangenknochen. »Nein, nicht... nicht direkt. Ich habe nur... Ich wollte nur draußen vor der Tür warten, für den Fall, daß Ihr mich sprechen wolltet.«
Seine Mundwinkel hoben sich amüsiert. Sie war wirklich unglaublich hübsch mit ihren großen, grünen Augen und ihrem Haar wie dunkles Winterfeuer. Es war in ihrem Nacken zu einem Knoten zusammengefaßt, aber bei jeder ihrer Bewegungen schimmerten kupferne Lichter im Schein der Lampe. Ihre Wimpern waren dicht und dunkel und ihre Haut hell wie frische Sahne. Sie war etwas größer als der Durchschnitt, hatte eine volle und doch elegante Figur, ansprechend und doch fein gebaut, eine außerordentliche Versuchung.
Sydney Birdsall runzelte die Stirn und versuchte, das ungewöhnliche Verhalten des jungen Mädchens zu verteidigen. »Elizabeth ist jung und kann manchmal etwas ungestüm sein. Vielleicht ist sie ein wenig stur und gelegentlich eigenwillig, aber sie ist auch sehr intelligent, zuverlässig, sorgsam und fast großmütig.«
Nicks Blick haftete auf der jungen Frau. »Das mag alles richtig sein, aber wie ich schon sagte, sie kann unmöglich hier wohnen.«
»Es wäre ja nur für einige Zeit«, sagte Sydney bittend. »Euer Vater hat sie mit einer anständigen Mitgift ausgestattet. In ein paar Monaten fängt die Saison an. Wenn wir erst einen geeigneten Ehemann für sie gefunden haben und sie verheiratet ist, wird sie vor Oliver
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