Was der Winter verschwieg (German Edition)
Sie fühlte sich so dumm, dass sie es nicht eher bemerkt hatte. Das erklärte so viel. Den Lebensstil eines Peter-Pan-Fans. Die Band. Vielleicht hatte sie es nicht sehen wollen und ihrem Kopf nicht erlaubt, irgendwelche Gedanken in dieser Richtung zu hegen. Wie der Käufer, der sich in ein Auto verliebt und darüber ganz vergisst, mal unter die Haube zu schauen. Kein Wunder, dass er diesen unstillbaren Appetit auf Sex und einen seltsamen Film- und Musikgeschmack hatte. Kein Wunder, dass sein Haus der Traum eines jeden Teenagers war. Er war ja selbst noch einer. Sie war mit einem Kind zusammen. Einem lachenden, unglaublich attraktiven Jungen. Sie war Mrs Robinson, er der Abiturient. Sie war Demi Moore, er Ashton Kutcher.
Dafür würde sie in der Hölle schmoren.
„Hey, komm schon“, sagte er. „Ist doch keine große Sache.“
„Für mich schon. Ich kann nicht fassen, dass du es mir nicht erzählt hast.“
Er sagte nichts. Und in seinem Schweigen erkannte sie, dass er es schon eine ganze Weile wusste.
„Unglaublich“, sagte sie. „Du hast es absichtlich vor mir verheimlicht.“
„Ich habe es nicht erwähnt, weil es nicht wichtig ist. Und weil ich weiß, dass du dich davon irritieren lassen würdest.“
„Und das ist ein Grund, es mir zu verheimlichen? Weil du dachtest, es würde mich ‚irritieren‘?“
„Es ist echt nicht toll, wenn du so bist, Sophie.“
„Ist mir egal, da musst du jetzt wohl durch“, schoss sie zurück.
Abwehrend hob er seine behandschuhten Hände. „Ich habe nichts zu verbergen. Du warst in meinem Büro. Du hast die Diplome an den Wänden gesehen. Du hättest auf das Datum schauen können.“
„Hab ich auch. Ich habe gesehen, in welchem Jahr du deinen Abschluss gemacht hast, aber ich nahm an, dass du zwischen Schulabschluss und Studienanfang ein paar Jahre freigemacht hast. Das tun viele Leute. Ich dachte, du hast vielleicht einen anderen Beruf gehabt, bevor du Tierarzt wurdest.“
„Ja, ich habe Zeitungen ausgetragen.“ Er grinste. „Ich mach nur Witze. Aber mal ehrlich, es ist doch keine große Sache. Das Alter ist nur eine Zahl.“
„Und das sind nur leere Worte. Was ist mit meinen Kindern? Was sollen die denken?“
Er lachte. „Was wohl? Du bist ihre Mom. Sie wollen, dass du glücklich bist. Und ich habe vor, dich glücklich zu machen. Du musst es nur zulassen.“
„Aber …“
„Vielleicht macht dein brillanter Verstand dich zu einer guten Anwältin, aber im Privatleben machst du dich nur verrückt, wenn du dir über solche Nichtigkeiten den Kopf zerbrichst.“
„Das gefällt mir gar nicht, Noah. Es fühlt sich … falsch an.“
„Hat es sich vor fünf Minuten auch falsch angefühlt? Bevor irgendjemand, der sich nicht um seine eigenen Angelegenheiten kümmern kann, das Thema angesprochen hat?“
Sie konnte nicht lügen. „Nein. Da hat es sich so richtig angefühlt wie lange nichts mehr.“
„Ah, das ist mein Mädchen.“
„Ich bin kein Mädchen. Ich bin eine Oma.“
„Und ich liebe dich. Du bist verrückt, wenn du zulässt, dass irgendjemand Einfluss darauf nimmt, was wir füreinander empfinden.“
29. KAPITEL
I ch habe ihm gesagt, dass ich darüber nachdenken muss“, erklärte Sophie am nächsten Morgen Gayle, als sie wie üblich am Ende ihrer Joggingrunde mit dem Hund bei ihr einkehrte. Sie betrachtete Gayle als ihre erste wahre Freundin in Avalon. Das Haus ihrer Nachbarin war immer warm und unordentlich und voller Leben. Im Moment spielten die Kinder mit Opal im Wohnzimmer, in dem sich mehr Spielzeuge als Möbel befanden. Sie mochte Gayles großzügige Art und ihren gesunden Menschenverstand, und Gayles Situation zu kennen, half Sophie, die Dinge in die richtige Perspektive zu rücken. Solange ihr Mann fort war, lebte Gayle in ständiger Anspannung, die nur Ehefrauen von Militärangehörigen verstehen konnten. Sophie kam sich albern vor, über Noah zu lamentieren, aber Gayle behauptete, es lenke sie davon ab, sich zu sehr auf ihre eigenen Sorgen zu konzentrieren.
„Es ist doch bizarr und furchtbar, mit einem zehn Jahre jüngeren Mann zusammen zu sein, oder?“, fragte Sophie. „Lässt mich das nicht total verzweifelt wirken? Mitleiderregend? Verzweifelt
und
mitleiderregend?“
Gayle gab ihrem Jüngsten eine Schnabeltasse und wischte seine Nase mit einer geübten Handbewegung ab. „Diese Fragen kannst nur du beantworten. Nicht ich. Und auch nicht die Eishockey-Mütter. Du ganz allein.“
„Ich kann in dieser Sache nicht objektiv
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