Was der Winter verschwieg (German Edition)
angestrengtes Lächeln.
„Eine Schande wegen des Spiels, nichts wahr?“, fragte sie.
„Ja, wirklich“, stimmte Sophie zu. „Es ist nie schön zu verlieren. Ich weiß, dass der Trainer den beiden ordentlich eingeheizt hat, und Max’ Vater und ich werden auch noch mit ihm reden.“
„Kurt wird von uns mehr als nur Worte zu spüren bekommen.“
Sophie nickte. „Max wird auch Hausarrest kriegen.“
„Das sollte er auch. Er muss lernen, sein Temperament zu zügeln.“
Sophie biss sich auf die Innenseite der Unterlippe, um sich zurückzuhalten. Von ihrem Platz aus hatte es so ausgesehen, als wäre die Prügelei von Kurt ausgegangen, aber das Letzte, was Sophie wollte, war, sich mit dieser Frau zu streiten. Also nickte sie einfach nur. „Vielleicht sehen wir uns ja am Wochenende auf dem Festival, Ilsa“, sagte sie zum Abschied.
Ilsa bedachte sie mit einem finsteren Blick. „Ja, vielleicht. Wir planen, am Samstag zum Tanz zu gehen. Ich habe dich mit Noah Shepherd zusammen gesehen“, merkte sie an. „Unser Hund Sammy ist ein Patient von ihm.“
Vielleicht will sie nur nett sein, dachte Sophie hoffnungsvoll.
„Es ist unglaublich mutig von dir, mit so einem jungen Mann auszugehen“, fuhr Ilsa fort. „So viel Selbstbewusstsein könnte ich niemals aufbringen.“
Junger Mann? Es stimmte, Sophie hatte keine Ahnung, wie alt Noah war. Das Thema war zwischen ihnen irgendwie nie aufgekommen. Sie hatte nicht danach gefragt. Sie hatte überhaupt nie etwas Tiefgreifenderes gefragt als „Hast du Kondome?“, bevor sie mit ihm ins Bett gefallen war. Jetzt verspürte sie zum ersten Mal leise Zweifel.
„Es ist mir nie in den Sinn gekommen, mich unsicher zu fühlen.“ Sie war entschlossen, sich von Ilsas Kommentar nicht aus der Bahn werfen zu lassen. „Aber danke für deine Sorge.“
„Oh, ich mache mir keine Sorgen. Ich bewundere dich dafür, dass du dich mit jemandem triffst, der so viel jünger ist. Aber jetzt muss ich los.“ Sie drängte sich an Sophie vorbei und verschwand in Richtung Parkplatz.
Sophie ließ sich Zeit damit, zu Noah zurückzukehren.
So viel jünger …
Die Worte hallten in ihrem Kopf wider. Guter Gott, wie viel jünger als sie war Noah denn?
Noah wartete am Auto. Er schaute zu, wie Opal sich durch eine Schneewehe buddelte. Sophie reichte ihm den Kaffee. „Wie alt bist du eigentlich?“, fragte sie geradeheraus.
Einen Moment lang wirkte er überrascht. Dann huschte sein Blick hin und her. „Warum fragst du?“
„Es gibt ein paar Dinge, die ich wissen möchte, wenn wir … Ich möchte es einfach wissen. Oder ist dein Alter ein Geheimnis?“
„Nein, natürlich nicht. Was glaubst du, wie alt ich bin?“
„Das ist hier kein Ratespiel. Sag’s mir einfach.“
„Ich bin im Januar neunundzwanzig geworden.“
Sie lachte trotz des komischen Gefühls im Magen. „Ich meine es ernst, Noah. Hör auf, Spielchen zu spielen.“
Er holte sein Portemonnaie aus der Hosentasche, klappte es auf und hielt ihr seinen Führerschein hin. Auf dem Foto lächelte er. Wer, zum Teufel, lächelt für sein Führerscheinfoto?
Offensichtlich Menschen, die 1979 geboren worden waren. Sophie spürte, wie ihr alle Farbe aus dem Gesicht wich und ihr Herz ihr in die Schuhe rutschte. Guter Gott. Es stimmte. Er war ganze zehn Jahre jünger als sie. Sie hatte gedacht – wenn sie überhaupt darüber nachgedacht hatte –, dass er maximal ein oder zwei Jahre jünger war. Drei vielleicht. Maximal fünf. Sechs Jahre, das war schon an der Grenze zu ungehörig. Sieben und mehr – ganz eindeutig völlig indiskutabel.
Aber … zehn. Das war eine sehr unangenehme Entdeckung, ungefähr so, wie in einen glänzenden Apfel zu beißen und auf einen Wurm zu stoßen. Einen halben Wurm.
Zehn Jahre.
Zehn. Zweistellig. Altersmäßig stand er Daisy näher als ihr. Wie hatte ihr das entgehen können? Sie war immer so stolz auf ihre analytischen Fähigkeiten gewesen, darauf, dass ihr keine Einzelheit entging. Jetzt war sie schockiert darüber, wie sie hatte zulassen können, nicht jedes Detail aus Noahs Leben genauestens zu untersuchen. Vielleicht weichten ihre Gehirnzellen langsam auf. Das war vermutlich eine Nebenwirkung des besten Sex, den sie je in ihrem Leben gehabt hatte.
Entsetzt wich sie vor ihm zurück und wäre auf dem glatten Eis beinahe ausgerutscht. Sie sah nicht den Noah, den sie kannte, sondern jemand vollkommen anderes. Nicht einen Mann, in den sie verliebt war, sondern … einen Jungen. Einen Toyboy.
Oh Gott.
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