Was die Seele krank macht und was sie heilt
Geschlechter gilt, daß jeder Partner die eigenen Angelegenheiten, wie zum Beispiel die Berufsausbildung, selbst bestreiten muß.
Heiratet eine wohlhabende Frau einen armen Mann, steht eine solche Verbindung meist auf wackligem Fundament. Die Frau ist ständig die Gebende und der Mann der Nehmende. Der Gatte, der den Ausgleich nicht erreichen kann, reagiert mit der Zeit böse. Auch wenn ein alter Mann eine junge Frau heiratet, kommt es häufig zu Komplikationen. Eine feste Regel für den Altersabstand kann man sicherlich nicht aufstellen, doch Hellinger hat eine treffende Formulierung dafür gefunden. Er erkundet, ob der eine Partner »die Zukunft schon hinter sich hat«, während der andere sie noch »vor sich« hat. Die junge Frau wird sich zum Beispiel an dem alten Mann dafür rächen, daß sie auf bestimmte Dinge verzichtet, die sie mit einem Jüngeren hätte haben können, beispielsweise Kinder. Diese Prozesse laufen oft auf der unbewußten Ebene ab.
In Partnerschaften, aber auch in anderen Bereichen, trifft man immer wieder auf die großzügigen Geber. Diese Haltung ist als »Helferideal« recht angesehen. Unausgesprochen sagt der Helfer jedoch: »Lieber sollst du dich verpflichten als ich.« Insbesondere bei Angehörigen der psychosozialen Berufe ist diese Auffassung zu finden. Wer sich weigert, zu nehmen, will oft seine Überlegenheit bewahren und zu nichts verpflichtet sein. Doch innerlich fühlt er sich leer und unausgeglichen.
Immer wieder gibt es im Leben Situationen, in denen der
Nehmer nicht zurückgehen kann, zum Beispiel weil er schwer behindert oder krank ist. Das Danken ist dann die einzige Möglichkeit eines Ausgleichs. Wenn es mit Achtung und Liebe geschieht, fühlt sich auch der Geber reich beschenkt.
Schuld und Unschuld
Mit dem Geben und Nehmen beginnen unsere Erfahrungen von Unschuld und Schuld. Das Gefühl, »ich bin dem Geber jetzt verpflichtet«, das beim Beschenkten entsteht, wird als eine Art Schuld erlebt. Sie äußert sich als Unbehagen oder Druck, und wohl jeder kennt dieses Gefühl. Unschuld dagegen empfinden wir, wenn wir gegeben haben: Wir fühlen uns leicht und frei von jeder Verpflichtung. Unschuld als Anspruch und Schuld als Verpflichtung fördern in ihrem Zusammenspiel den menschlichen Austausch.
Beim Nehmen und Geben gibt es aber auch eine böse Schuld und eine böse Unschuld, wenn der Empfänger beispielsweise ein Täter und der Geber ein Opfer ist. Beide unterliegen dem Bedürfnis nach Ausgleich. Das Opfer hat darauf Anspruch, und der Täter fühlt sich dazu verpflichtet. Nach der Tat will das Opfer dem Schuldigen schaden und ihm ein Leid antun. Erst wenn beide, Täter und Opfer, gleichermaßen böse waren und gleich viel verloren und gelitten haben, sind sie sich wieder ebenbürtig, denn mit der Wiederherstellung des Schadens allein ist es nicht getan. Unserem christlichen Weltbild entspricht das ganz und gar nicht. »Von der anderen Wange«, die man auch noch hinhalten soll, ist bei dem ehemaligen Missionar Hellinger jedenfalls nicht die Rede.
Versöhnung ist seiner Meinung nach erst möglich, wenn auch der Unschuldige böse wird und Sühne fordert. Damit Beziehungen aber fortgesetzt werden können, ist es notwendig, daß das Opfer dem Täter ein bißchen weniger antut,
als es erlitten hat, ansonsten ist die Beziehung zu Ende. Im folgenden ein Beispiel, wie wichtig in einer Ehe der Ausgleich im Bösen ist.
Der Ausweg
Eine Frau trug seit 20 Jahren ihrem Mann nach, daß er nur wenige Tage nach der Hochzeit mit seinen Eltern sechs Wochen in Urlaub fuhr und sie allein zurückließ, weil seine Eltern für ihr Auto einen Fahrer brauchten. Bislang hatten alle Entschuldigungen von seiten des Mannes nichts gefruchtet.
Der Mann erzählte diese Geschichte einem Freund, worauf dieser entgegnete: »Am besten sagst du ihr, sie darf sich etwas wünschen oder etwas für sich tun, das dich genausoviel kostet, als es sie damals gekostet hat.«
Da strahlte der Mann und begriff. Jetzt hatte er die Lösung. (ZG: 24/MFL: 26)
Der Ausgleich in der Erziehung
Nicht nur in Ehe und Partnerschaft, auch in anderen Lebensbereichen muß es den Ausgleich im Guten wie im Bösen geben, wie das nächste Beispiel zeigt. In Südafrika war Bert Hellinger Rektor und Pfarrer an einer Schule gewesen. Am Gründonnerstag sagten die Schüler, sie würden gern in die Stadt gehen, da sie frei hätten. Er erlaubte es ihnen, doch bat er sie, bis zum Gottesdienst zurück zu sein, da er sie zum Singen
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