Was die Seele krank macht und was sie heilt
seine Eltern gesprochen hat.
Bevor Hellinger nach Deutschland zurückkehrte, hatte er in Südafrika Erfahrungen mit Trainern gemacht, die in Gruppendynamik ausgebildet waren. Sie hatten ihre Ausbildung in den USA erhalten und boten Kurse für kirchliche Mitarbeiter an. Die Erfahrungen aus diesen Seminaren konnte Hellinger im Schulwesen direkt anwenden. An Psychotherapie hatte er damals noch nicht gedacht.
Eine wichtige Erfahrung in Europa war das erste Gestalttherapieseminar, das Ruth Cohn in Deutschland geleitet
hatte. Auf dem sogenannten »heißen Stuhl« traf er eine Entscheidung, die sein späteres Leben bestimmte.
Danach entschloß sich Hellinger zu einer psychoanalytischen Ausbildung in Wien. Zu jener Zeit stieß er auf Arthur Janovs Buch »The primal scream« (Der Urschrei). Janov geht an die zentralen Gefühle direkt heran, wovon Hellinger tief beeindruckt war. Er hat einiges davon in seinen gruppendynamischen Seminaren ausprobiert und schließlich beschlossen, sich nach der Ausbildung als Psychoanalytiker bei Janov in den USA einer Primärtherapie zu unterziehen. Nachdem er dort neun Monate gelernt hatte, können ihn bis heute starke Gefühlsausbrüche nicht mehr aus der Ruhe bringen.
Doch bald entdeckte Hellinger Schwächen bei der Primärtherapie. Nach seiner Wahrnehmung lassen sich Therapeuten und Klienten oft nur noch von Gefühlen leiten, was Lösungen unmöglich macht. Zum Wertvollen, das Hellinger von der Primärtherapie behalten hat, gehört sein Umgang mit den Teilnehmern in Gruppen. Keinem ist es gestattet, Kommentare über die Prozesse von anderen zu machen. Für eigene Gefühlsäußerungen erhält man von anderen keine Resonanz. Auf diese Weise muß man sich mit sich selber auseinandersetzen. Meist nämlich ist das Kommentieren nur ein Ablenken von der eigenen psychischen Situation. Später hat Hellinger bemerkt, daß die intensiven Gefühle, die in der Primärtherapie zutage treten, fast alles Gefühle sind, die Mutter oder Vater gelten, genauer gesagt: der Urliebe zu Mutter und Vater. Trauer und Wut dienen häufig nur der Abwehr des Schmerzes, der durch eine unterbrochene Hinbewegung in der Kindheit entstanden ist. 32 Manchmal schreibt man jemand die Gefühle, die er zeigt, als persönliche Gefühle zu. Damit wird man dem Klienten jedoch nicht gerecht. Hellinger erinnert sich an eine Klientin, mit der er Primärtherapie gemacht hatte. Sie zeigte Gefühle, die ihm nicht nachvollziehbar waren. Erst aus einer späteren Perspektive verstand er, daß die seltsamen Gefühle dieser Frau nicht ihre eigenen waren, sondern von jemand anderem im Familiensystem übernommen worden waren.
In jener Zeit der Auseinandersetzung mit Janovs Urschreitherapie kam Hellinger in Kontakt mit der Transaktionsanalyse. Ein Schlüsselerlebnis für die Entwicklung seiner späteren Form der Familienaufstelhingen war die Lektüre von Eric Bernes »Was sagst du, wenn du guten Tag gesagt hast?«. In Bernes Arbeit geht es vor allem um die Suche nach den Skriptgeschichten der Klienten. Dieses Muster kann man herausfinden, wenn man den Klienten nach der bevorzugten Oper oder dem favorisierten Roman, Film, Comic, Märchen oder Mythos fragt, der ihn in frühester Kindheit beeindruckt hat, und einer zweiten Geschichte, die ihn heute beschäftigt. Wenn man diese beiden Geschichten vergleicht, findet man häufig gemeinsame Elemente, die auf den verborgenen Lebensplan hinweisen. Nach Eric Berne haben diese Skriptgeschichten ihre Wurzeln in den verbalen und nonverbalen Botschaften, die Eltern ihren Kindern geben.
Hellinger fand bald heraus, daß man diese Skriptgeschichten nicht alle mit den Botschaften der Eltern in Verbindung bringen kann. Andere Skripts gehen zurück auf Ereignisse, die im Familiensystem geschehen sind, zum Beispiel der Selbstmord einer Schwester der Mutter, der tabuisiert worden ist. Hellinger fügte somit der Berneschen Sichtweise eine »Mehrgenerationenperspektive« hinzu. Nach längerer Erfahrung mit dieser Arbeit fand Hellinger heraus, nach welchen Gesetzmäßigkeiten es im Familiensystem zur Identifizierung mit früheren Ereignissen und Schicksalen kommt. Seiner Ansicht nach sind die meisten Probleme, mit denen Menschen in die Psychotherapie kommen, nicht entwicklungspsychologisch, sondern systemisch bedingt. Viele Probleme gehen somit nicht zurück auf eigenes Erleben, sondern auf die Identifizierung mit vergangenem fremden Schicksal.
Hier einige Beispiele für bestimmte Skriptgeschichten. Bei dem
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