Was Farben sagen
werden.
Die Beschreibungen in diesem Buch sind vorwiegend dazu gedacht, deutlich zu machen, wie man eine Farbe übersetzen kannâ zum Beispiel in bestimmte Möbel oder in Stoffarten.
Ich bin davon überzeugt, dass man sich mit Farbe genauso ausdrücken kann wie mit jeder anderen Sprache auchâ mit einem entscheidenden Unterschied: Die nonverbale Farbsprache ist weltweit gültig und verständlich. Von dieser » Universalsprache der Farben« waren bereits zahlreiche Künstler vergangener Jahrhunderte fasziniert. Gerade der Begriff einer » Grammatik der Farben« war weitverbreitet und wurde zum Beispiel von Johannes Itten für seine theoretischen Ãberlegungen zur Farbe wieder aufgegriffen.
Ich bin ebenfalls davon überzeugt, dass man durch die Beschäftigung mit den Farbtönen und deren Entsprechungen fundierte Kenntnisse über Farben und eine Vertrautheit im Umgang mit ihnen erlangen und ausbauen kannâ hin zu einem tiefgreifenden Bewusstsein für Farbe in all ihren Facetten und dem Wissen, dass Farbe weit mehr ist als ein bloÃes Pigment oder eine traditionelle Deutung. Es gibt vielmehr etwas, das noch hinter jeder Farbe steht und ihre unverfälschte Natur, ihr Wesen ausmacht.
Dieses Buch ist daher der Versuch, Farben auf ihren Kern zu reduzieren. Es soll als Ãbersetzungshilfe für das Phänomen Farbe dienen, als Wörterbuch für die Farbspracheâ denn Farbenlesen kann man lernen. Neben dem praktischen Nutzen, den dieses Farbwissen bietet, möchte dieses Buch jedoch insbesondere eines vermitteln: ein Verständnis für den faszinierenden, ausgesprochen vielschichtigen und individuellen Charakter, der hinter jedem einzelnen Farbton steht. Ein tiefes Gefühl für das Phänomen Farbe, das uns alle täglich umgibt, uns von unendlichem Nutzen sein kann, wenn wir damit umzugehen wissen, und das, wie es Prof. Harald Brost vom Institut für Farbe in Kirn formulierte, » die wichtigste Erfahrung der Menschen in diesem Jahrhundert sein wird«.
Die Sprache der Farben
Vom kindlichen Charme eines Rokokorosa bis zur erwachsenen Sinnlichkeit von Burgunder: Die Rottöne
Wenn diese roten Schuhe mein sind, wird meine Macht die gröÃte in Oz sein.
Die böse Hexe des Westens im Film Der Zauberer von Oz
Rot ist Urkraft, Materie und Präsenz.
Mittelrot/Blutrot: Komprimierte Kraft
Der Ursprung   Die erste Farbe im Spektrum ist gleichzeitig der Ton mit der Qualität der Eins, des Beginns. Interessant ist, dass auch der Name des ersten Mannes, Adam, nicht nur » der Erste« bedeutet, sondern zugleich » Erde«â und » Rot«. Rot ist der Ursprung, die Erde, aus der alles Leben hervorgeht. Es ist eine ausgesprochen irdische Farbe, und als dichteste, grobstofflichste ist Rot ohnehin die Farbe des Körpers und der Materie. Sie ist geradezu der Inbegriff von Stofflichkeit, keine Farbe ist so substanziell wie Rot.
Kraftvolle Präsenz   Wenn man an strahlendes Orange denkt, empfindet man Wärme; bei intensivem Rot ist es dagegen eine alles verzehrende Hitze. Rot ist sichtbar gewordene Energie und Stärke, und Potenz ist ein häufig verwendeter Begriff, um das Wesen von Rot zu beschreiben. Rot ist kraftstrotzend, selbstbewusst und souverän. Ihm wohnt eine eigene, urwüchsige Präsenz inne, die es unverrückbar in sich ruhen, sich von nichts beirren lässt. Rot steht nicht zur Diskussion. Rot ist.
Dominanz   Mehr noch: Rot dominiert, und es überwältigt jede andere Farbe. Bereits in grauer Vorzeit schmückten Jäger und Krieger sich und ihre Waffen mit Blut oder rotem Ocker (auch » das Blut der Erde« genannt). Zunächst einmal, weil Rot lebenserhaltende Kräfte zugeschrieben wurden, hauptsächlich wollten sie über die rote Farbe aber aggressive Stärke und Dominanz ausstrahlen, 10 denn Rot ist gleichbedeutend mit Durchsetzungskraft und Macht. Diese ungemein dominante Wirkung von Rot hat der Filmregisseur Derek Jarman noch um einen wichtigen Aspekt ergänzt, denn reines Rot verteidigt seine Vormachtstellung, es teilt nicht: » Rot schirmt sich ab. Keine Farbe ist so territorial. Es steckt sein Revier ab, ist auf der Hut gegenüber dem Spektrum.« 11
Komprimierte Kraft und pulsierende Ruhe   Gleichzeitig strahlt Rot eine tiefe Ruhe aus. Betrachtet man es im Vergleich zu seiner Komplementärfarbe Grün, wird jedoch deutlich, dass es nur
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