Was Farben sagen
kann man Begriffe finden, die den Charakter der einzelnen Farben einfangen. Mit anderen Worten: Die Vokabeln der Farbsprache, sprich die einzelnen Farbtöne, werden in unsere Sprache übersetztâ und dieses Buch ist der Versuch, eine Ãbersetzung, eine Semantik der Farben anzubieten .
Genau wie in jedem Kurs, den man bucht, um eine Fremdsprache zu lernen, sind hier für die Farbsprache also zunächst einzelne Vokabeln (Farbtöne) aufgelistet und » übersetzt« beziehungsweise interpretiert worden. Das Ergebnis ist ein Wörterbuch der Farben nach dem Muster » Farbe-Deutsch/Deutsch-Farbe« . 6
Genauso, wie es Voraussetzung ist, den Basiswortschatz im Englischen zu beherrschen, will man sich in der Sprache unterhalten, muss man wissen, was zum Beispiel Gelb, Blau oder Apricot bedeutet. Es kann bei den Farben zwar keine Eins-zu-eins-Ãbersetzung geben wie etwa vom Englischen ins Deutsche, wo bread schlicht mit Brot übersetzt werden kann. Doch man kann den Farbtönen mehrere Begriffe zuordnen, die ihre Qualität umschreiben. Ordnet man sie wie Mosaiksteine nebeneinander an, lassen sie im Gesamtbild den Charakter der jeweiligen Farbe erkennen.
Die Deutungen der einzelnen Farben beruhen gröÃtenteils auf farbtheoretischen Ãberlegungen. Trotzdem kann das Phänomen Farbe nie in einem streng wissenschaftlichen Rahmen abgehandelt werden. Bei der » Ãbersetzung« hat es mir zwar geholfen, auf theoretische Grundlagen zurückzugreifen, sie mussten aber mit einem Gefühl für Farbe Hand in Hand gehen. Farbtheorie und meine eigenen Beobachtungen und Empfindungen beim Betrachten von isolierter Farbesind demnach die gemeinsame Basis.
Oft wird gerade der letzte Punkt harsch kritisiert. Man hört, dass das Farberleben zutiefst subjektiv und daher nicht zu verallgemeinern sei. Doch tatsächlich gibt es von Mensch zu Mensch keine gravierenden Unterschiede in der Wahrnehmung von Farben, was Wassily Kandinsky in einem Vergleich veranschaulicht hat: » Das Hören der Farbe ist so präzis, dass man vielleicht keinen Menschen findet, welcher den Eindruck von Grellgelb auf den Basstasten des Klaviers wiederzugeben suchen oder Krapplack dunkel als eine Sopranstimme bezeichnen würde.« Auch in der Farbpsychologie geht man davon aus, dass das Farbempfinden bei nahezu allen Menschen gleich ist, da es eine sogenannte Urprägung sei, die in unserer Genetik verankert ist. Daher stuft jeder Mensch Orange beispielsweise als eine warme Farbe ein, unabhängig von persönlichen Erfahrungen. 7 C. G. Jung konnte sogar nachweisen, dass das Unbewusste sich in Bildern und Symbolen (zu denen auch Farben gehören) ausdrückt, die bereits vorhanden sind, das heiÃt nicht erst mühsam erlernt werden müssen. Die Menschen früherer Jahrhunderte drückten es blumiger aus, wenn sie die Farben als » Sprache der Seele« bezeichneten. Aber auch sie gingen wie selbstverständlich davon aus, dass jeder das Wissen um die Farbensprache in sich trägtâ es muss nur wieder ins Bewusstsein gebracht werden.
Rotes Quadrat und blauer Kreis: Die Parallelismen
Sieht man das Wesen einer Farbe klar vor sich, und hat man es in Worte übersetzt, erkennt man auch ihre Entsprechungen, die Parallelismen der Farbe in anderen Bereichen. Man kann einer Farbe dann bestimmte Klänge sowie Zahlen, Duftnoten, Formen, Stile oder Materialien zuordnen, die den gleichen inneren Gehalt haben. Neben dem praktischen Nutzen, auf den ich weiter unten eingehen werde, gewinnt man durch die Parallelismen ein umfassenderes Bild von einer Farbe. Wenn man beispielsweise weiÃ, dass mildes Apricot ähnliche Eigenschaften hat wie weiche, anschmiegsame Stoffe oder der Duft von Neroli und Vanille, dann kann man ihr Wesen deutlich besser einordnen und ein Gefühl für die Farbe bekommenâ in einem Zusammenspiel der Sinne. Neben der allgemeinen Charakterisierung habe ich daher die vorgestellten Farbtöne auf Bereiche wie Formen, Materialien und Duftnoten abgeklopft und jeden Farbton in seine individuelle Formensprache, seinen eigenen Stil und seine persönliche Materialpalette übersetzt.
So wird ein mittleres Grün unter anderem von ausbalancierten, ruhigen Stilen umschrieben sowie von solchen, die maskuline und feminine Einflüsse harmonisch in sich vereinen. Begründet werden kann das aus der Stellung von Grün im Farbkreis, wo es die Mittelstellung einnimmt: Es hält
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