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Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)

Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)

Titel: Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Hodkin
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ließen sich auf einer Gruppe kahler Bäume nieder, die den Parkplatz überschauten. Selbst die Bäume trugen Schwarz.
    Ich sah meinen Bruder an. »Hast du nicht unter den Bäumen geparkt?«
    Er nickte und ging zum Wagen.
    »Na super«, sagte ich, als ich ihm folgte. »Jetzt müssen wir der Scheiße der ganzen Vogelmeute ausweichen.«
    »Schwarm.«
    Ich blieb stehen. »Was?«
    Daniel drehte sich um. »Es heißt Vogelschwarm und nicht Meute. Und ja, wir müssen dem Geflügelkot ausweichen, es sei denn, du willst mit Mom und Dad fahren.«
    Ohne zu wissen, warum, lächelte ich erleichtert. »Lieber nicht.«
    »Dachte ich mir.«
    Daniel wartete auf mich und ich war dankbar für die Fluchtmöglichkeit. Ich sah über die Schulter, um sicherzugehen, dass meine Mutter mich nicht beobachtete. Doch sie war im Gespräch mit Rachels Familie, die wir seit vielen Jahren kannten. Es war leicht zu vergessen, dass auch meine Eltern alles zurückließen: die Anwaltskanzlei meines Vaters und die Patienten meiner Mutter. Und Joseph hatte, obwohl er erst zwölf war, den Umzug ohne große Erklärungen akzeptiert und klaglos eingewilligt, sich von seinen Freunden zu trennen. Wenn ich darüber nachdachte, war mir klar, dass ich mit meiner Familie ein echtes Glückslos gezogen hatte. Ich nahm mir vor, mich meiner Mutter gegenüber nachsichtiger zu verhalten. Schließlich war es nicht ihre Schuld, dass wir fortgingen.
    Es war meine.

4
    ACHT WOCHEN SPÄTER
Miami, Florida
    D u raubst mir den letzten Nerv, Mara.«
    »Gib mir eine Minute.« Ich beäugte die Spinne, die sich zwischen mir und meiner Frühstücksbanane befand. Sie und ich trafen gerade eine Abmachung.
    »Überlass das mir. Sonst kommen wir zu spät.« Bei dem Gedanken machte Daniel sich fast in die Hose. Mr Perfect war immer pünktlich.
    »Nein. Du bringst sie doch nur um.«
    »Na und?«
    »Aber dann ist sie tot.«
    »Na und?«
    »Stell dir nur mal vor«, sagte ich, ohne meinen achtbeinigen Gegenpart aus den Augen zu lassen, »dass die Spinnenfamilie dann ohne ihre Oberarachnida dasteht. Die Spinnenkinder hocken tagelang im Netz und halten pausenlos nach ihrer Mama Ausschau, ehe sie begreifen, dass man sie umgebracht hat.«
    »Sie?«
    »Ja.« Mit geneigtem Kopf betrachtete ich die Spinne.
    »Sie heißt Roxanne.«
    »Schon klar. Bring Roxanne nach draußen, bevor sie mit der Meinungsseite von Josephs Wall Street Journal Bekanntschaft macht.«
    Ichstutzte. »Warum liest Joseph das Wall Street Journal ?«
    »Er findet das witzig.«
    Ich lächelte. Das war es auch. Dann drehte ich mich wieder zu Roxanne um, die angesichts von Daniels Drohung ein paar Zentimeter zur Seite gewichen war. Ich streckte die Hand mit dem Papiertuch nach ihr aus und zog sie unwillkürlich wieder zurück. Diese Bewegung vollführte ich seit zehn Minuten: ausstrecken und zurückziehen. Ich wollte Roxanne die Freiheit schenken, sie aus unserer Küche in ein Land tragen, im dem das Blut von Myriaden fliegender Insekten floss. Ein Land, das ansonsten unser rückwärtiger Garten war.
    Doch wie es aussah, war ich dieser Aufgabe nicht gewachsen. Trotzdem hatte ich immer noch Hunger und wollte meine Banane. Wieder griff ich danach und hielt mitten in der Luft inne.
    Daniel stieß einen melodramatischen Seufzer aus und stellte eine Tasse in die Mikrowelle. Er drückte ein paar Knöpfe und der Teller begann sich zu drehen.
    »Du solltest dich besser nicht vor die Mikrowelle stellen.« Daniel beachtete mich gar nicht.
    »Davon kannst du einen Hirntumor bekommen.«
    »Ist das wissenschaftlich erwiesen?«, fragte er.
    »Willst du es darauf ankommen lassen?«
    Daniel betrachtete meine Hand, die immer noch ausgestreckt zwischen mir und Roxanne in der Luft verharrte.
    »Mit deinen Neurosen kannst du wirklich nur im Fernsehen punkten.«
    »Kann sein, aber wenigstens bin ich tumorfrei. Willst du das denn nicht sein, Daniel?«
    Erholte einen Müsliriegel aus dem Vorratsschrank.
    »Hier«, sagte er und warf ihn mir zu, aber neuerdings war ich am Vormittag zu nichts zu gebrauchen. Der Riegel klatschte neben mir auf die Anrichte. Roxanne huschte davon und ich verlor sie aus den Augen.
    Daniel nahm seine Schlüssel und schlenderte zur Eingangstür. Mit leerem Magen folgte ich ihm ins grelle Sonnenlicht.
    »Los, komm«, sagte er mit gespielter Munterkeit. »Erzähl mir nicht, dass du dir aus Angst vor unserem ersten Schultag nicht gleich in die Hose machst.« Er wich den winzigen Eidechsen aus, die über den Schieferplattenweg unseres

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