Was geschah tatsächlich in Peru?: Die Chroniken des Magnus Bane (01) (German Edition)
See soll ein grauenhaftes Monster leben.«
Imasu schien immer noch über Magnus’ Darbietungen auf dem
charango
zu brüten, während Magnus sofort jegliches Interesse daran verloren hatte. »Ich glaube, wenn die Welt eines Tages untergeht, wird es so klingen wie deine Musik«, bemerkte Imasu finster.
»Interessant«, befand Magnus und warf sein
charango
aus dem Fenster.
»Magnus!«
»Ich glaube, die Musik und ich haben das Ende unseres gemeinsamen Weges erreicht«, erklärte Magnus. »Ein wahrer Künstler weiß, wann er sich zu ergeben hat.«
»Ich kann nicht glauben, was du getan hast!«
Magnus wedelte lässig mit der Hand. »Ich weiß, es zerreißt einem das Herz. Aber manchmal muss man sich dem Flehen seiner Muse einfach verschließen.«
»Ich meinte eigentlich, dass diese Instrumente wirklich teuer sind. Ich habe es eindeutig krachen gehört.«
Imasu sah aufrichtig besorgt aus, aber er lächelte dabei. Sein Gesicht war ein offenes Buch in leuchtenden Farben: faszinierend und doch leicht zu lesen. Magnus wandte sich vom Fenster ab und ging auf Imasu zu. Er schloss eine Hand um Imasus schwielige Finger, die andere legte er sanft um dessen Handgelenk. Dabei sah er, wie ein Schauer über ImasusKörper lief, es war, als spiele Magnus ein Instrument, dem er jeden erdenklichen Ton entlocken konnte.
»Es betrübt mich außerordentlich, dass ich die Musik aufgeben muss«, murmelte Magnus. »Aber ich denke, du wirst bald feststellen, dass ich über weitaus mehr Talente verfüge.«
Als er an diesem Abend nach Hause kam und Ragnor und Catarina mitteilte, dass er das
charango
-Spiel aufgegeben hatte, bemerkte Ragnor: »Fünfhundert Jahre lang habe ich nicht den leisesten Wunsch verspürt, mich einem anderen Mann zu nähern, aber auf einmal habe ich das dringende Bedürfnis, diesem Jungen einen dicken Kuss zu geben.«
»Hände weg«, sagte Magnus träge, um seinen Besitzanspruch zu unterstreichen.
Am nächsten Tag wurde in ganz Puno ein rauschendes Fest gefeiert. Imasu versicherte Magnus, dass der Zeitpunkt der Veranstaltung sicher reiner Zufall war. Magnus lachte. Die Sonne brach durch die Wolken und einzelne Strahlen erhellten Imasus Augen und brachten einzelne Stellen seiner braunen Haut zum Leuchten. Imasus Lippen kräuselten sich unter Magnus’ Mund. Die Parade verpassten sie.
Magnus fragte seine Freunde, ob sie noch eine Weile in Puno bleiben könnten. Ihre Zustimmung überraschte ihn nicht sonderlich. Catarina und Ragnor waren Hexenmeister wie er. Für sie alle war die Zeit eine Erscheinung wie Regen: ein Niederschlag mit glitzernden Tropfen, der die Welt veränderte, aber doch als Selbstverständlichkeit betrachtet wurde.
Das änderte sich nur, wenn man sich in einen Sterblichen verliebte. Dann wurde die Zeit zu Gold und sie selbst zu Geizhälsen:Jedes glänzende Jahr wurde sorgsam gezählt, denn es war unendlich wertvoll. Und doch rann die Zeit ihnen unaufhaltsam durch die Finger.
Imasu erzählte Magnus vom Tod seines Vaters. Er erzählte ihm, wie sehr seine Schwester das Tanzen liebte, weswegen er begonnen hatte, Musik zu machen. Und er erzählte ihm auch, dass dies erst das zweite Mal war, dass er in jemanden verliebt war. Er war sowohl
indigena
als auch Spanier, sein Blut viel stärker durchmischt als das der meisten Mestizen; so war er für manche zu spanisch und für andere nicht spanisch genug. Sie unterhielten sich darüber und Magnus erzählte seinerseits von dem holländischen und batavischen Blut in seinen Adern. Das Dämonenblut, seinen Vater und die Magie erwähnte er allerdings nicht. Noch nicht.
Magnus hatte gelernt, nicht allzu freigiebig mit seinen Erinnerungen zu sein. Wenn ein Mensch starb, schien es, als würde all das, was sie geteilt hatten, mit ihm verschwinden. Danach dauerte es lange, bis er sich selbst wieder neu zusammengesetzt hatte, bis er wieder ganz war. Doch selbst danach war er nie mehr ganz derselbe.
Das war eine lange, schmerzhafte Lektion gewesen.
So richtig gut beherrschte er sie offenbar immer noch nicht, denn trotz allem wollte er Imasu so viel wie möglich von sich erzählen. Nicht nur von seiner Herkunft, sondern auch von seiner Vergangenheit und den Menschen, die er geliebt hatte – von Camille, von Edmund Herondale und dessen Sohn Will, ja selbst von Tessa oder Catarina und wie er sie in Spanien kennengelernt hatte. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und erzählte wenigstens die letzte Geschichte,auch wenn er einige Details wie die Stillen Brüder und
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