Was geschah tatsächlich in Peru?: Die Chroniken des Magnus Bane (01) (German Edition)
sie auch einfach wegwerfen und dir neue wohlriechende und geschmackvollere Sachen kaufen können«, stellte Magnus klar. »Außerdem ist das Jahrzehnte her. Was habe ich dir denn in letzter Zeit getan?«
»Nicht vor der Kundin streiten, Jungs«, ging Catarina mit zuckersüßer Stimme dazwischen, »sonst schlage ich eure Köpfe aneinander, dass eure Schädel wie Eierschalen zerbrechen.«
»Ich spreche Englisch, wissen Sie«, meldete sich Nayaraq, ihre Kundin, die sie äußerst großzügig entlohnte, zu Wort.
Betreten schweigend erreichte die kleine Gruppe Pachacámac. Sie betrachteten die Mauern aus aufgetürmtem Schutt, die aussahen wie die Sandburg eines riesigen, handwerklich begabten Kindes. Nur wenige Pyramiden standen noch, die Mehrzahl lag in Ruinen. Die Überreste waren über tausend Jahre alt und Magnus konnte die Magie spüren, die selbst in den sandfarbenen Fragmenten noch pulsierte.
»Ich kannte das Orakel, das vor siebenhundert Jahren hier gelebt hat«, verkündete Magnus großspurig. Nayaraq schien beeindruckt.
Catarina, die Magnus’ wahres Alter kannte, nicht.
Als Magnus zum ersten Mal Geld für den Einsatz seiner magischen Fähigkeiten verlangt hatte, war er keine zwanzig Jahre alt gewesen. Damals hatte er sich noch im Wachstum befunden und war nicht in der Zeit gefangen wie eine in Bernstein eingeschlossene Libelle; schillernd und unzerstörbar, aber bis in alle Ewigkeit in diesem goldenen Augenblick erstarrt. Damals musste er erst seine volle Körpergröße erreichen und sein Gesicht und sein Körper veränderten sich tagtäglich ein winzig kleines bisschen. Er wirkte um einiges menschlicher in dieser Zeit.
Einem potenziellen Kunden, der einen erfahrenen und altersweisen Magier erwartete, konnte er natürlich nicht erzählen, dass er noch nicht einmal ganz ausgewachsen war. Daher hatte Magnus schon in jungen Jahren angefangen, sein wahres Alter zu verschleiern, und er hatte diese Gewohnheit auch nie wieder abgelegt.
Hin und wieder führte das zu peinlichen Situationen, wenn er vergaß, wem er welche Lüge erzählt hatte. Jemand hatte ihn mal gefragt, wie Julius Cäsar so gewesen sei, und Magnus hatte ihn einen Augenblick zu lange angestarrt, bevor er geantwortet hatte: »Nicht sehr groß?«
Magnus ließ den Blick also über den Sand schweifen, der sich am Fuße der Mauern gesammelt hatte, und über die rissigen, zerbröckelnden Ränder dieser Mauern, die aussahen wie Brot, von dem jemand achtlos ein Stück abgebrochen hatte. Er war sorgsam darauf bedacht, auch weiter das leicht arrogante Gehabe von jemandem, der schon einmal hier gewesen war, an den Tag zu legen – selbstverständlich bereits damals hervorragend gekleidet.
»›
Pachacámac
‹ bedeutet so viel wie ›Herr der Erdbeben‹«, fabulierte er drauflos. Glücklicherweise wollte Nayaraq nicht, dass sie eines heraufbeschworen. Magnus hatte noch nie absichtlich ein Erdbeben ausgelöst und zog es vor, sich nicht allzu lange mit den bedauerlichen Unfällen seiner Jugendjahre zu befassen.
Nayaraq wollte den Schatz, den die Mutter der Mutter der Mutter ihrer Mutter, vor den
conquistadores
versteckt hatte. Diese war ein wunderschönes Mädchen von königlichem Blut gewesen, das im Acllahuasi – dem Haus der Sonnenjungfrauen – gelebt hatte.
Magnus wusste nicht so recht, warum sie den Schatz unbedingt haben wollte, denn sie schien auch so genügend Geld zu besitzen, aber er wurde nun einmal nicht fürs Fragen bezahlt. Sie wanderten stundenlang durch Sonne und Schatten, immer entlang der zerfallenden Mauern, an denendie Spuren der Zeit zu sehen und stark verblasste Fresken zu erahnen waren, bis sie schließlich fanden, wonach sie suchte.
Als sie die Steine von der Mauer weggeschafft und den Schatz ausgegraben hatten, beschien die Sonne für einen Moment gleichzeitig das Gold und Nayaraqs Gesicht. Da verstand Magnus, dass Nayaraq nicht nach dem Gold gesucht hatte, sondern nach der Wahrheit, nach etwas Wahrhaftigem aus ihrer Vergangenheit.
Sie wusste, dass die Schattenweltler existierten, denn sie war selbst einmal von Elfen entführt worden. Doch das Gold, das nun in ihren Händen glänzte wie einst in den Händen ihrer Vorfahrinnen, war keine Illusion, kein Zauberglanz.
»Ich danke euch allen sehr«, sagte sie und Magnus verstand sie. Für einen kurzen Moment beneidete er sie beinahe.
Als sie gegangen war, löste Catarina ihren Zauberglanz, und ihre blaue Haut und ihre weißen Haare kamen zum Vorschein und leuchteten im Licht
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