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Was gewesen wäre

Was gewesen wäre

Titel: Was gewesen wäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregor Sander
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Vorbei an Maschinengewehren und Minen und was weiß ich alles. Das ist das Romantischste, was ich je gehört habe.« Kauend sah sie mich von der Bettkante aus an. »Und was macht Madame? Fährt einfach zurück in die Ostzone, als wäre nichts gewesen.«
    »Vera, ich war zwanzig damals!«
    »Trotzdem! Also, wann treffen wir den?«
    »Wir treffen den gar nicht! Ich rufe ihn morgen Abend auf dem Handy an und mach was mit ihm aus.«
    Was nicht stimmte. Ich hatte Julius’ Handynummer gar nicht, sondern nur die Adresse und die Telefonnummer der Galerie. Abgeschrieben von der Website. Nach der Mail an Jana hatte mich der Mut verlassen. Ich war noch etwas ratlos, was Julius Herne anging.
    Am Tag darauf nahmen wir ein Taxi vom Hotel nach Hamburg-Winterhude. Im feinen Nieselregen standen wir vor einem unspektakulären roten Klinkerbau. »Fritsche« stand an der Klingel im vierten Stock, und ich fand es gar nicht erstaunlich, dass Jana immer noch so hieß. Vera deutete auf ein Café auf der anderen Straßenseite, dessen Fassade efeuumrankt war. »Schleusenwärter« stand auf einer alten Schiffsplanke über dem Eingang. »Da setz ich mich rein und warte auf dich.«
    »Du brauchst nicht auf mich zu warten, Vera.«
    »Aber was ist, wenn es dir nicht gutgeht? Ich meine, nach dem Gespräch.«
    »Fahr doch zum Jungfernstieg und geh schön einkaufen.«
    Vera deutete, ohne ihren Blick von meinen Augen zu lösen, auf ihren dicken Bauch, und ich nickte: »Stimmt. Aber was ist, wenn Jana mit mir spazieren gehen will?«
    Vera deutete an meinem Schirm vorbei, der sich dunkelblau über unseren Köpfen wölbte, in den Nieselregen.
    »Mensch, Vera, wir sind doch hier nicht bei James Bond. Aber setz dich da rein, wenn du willst, nur wenn es zu öde für dich wird oder zu anstrengend, dann geh ins Hotel, ja?«
    Vera klopfte auf ihre große schwarze Handtasche. »Ich habe ein Flasche Wasser, ein Buch und drei Tafeln Schokolade. Da drüben bekomme ich ja wohl koffeinfreien Kaffee bis zum Abwinken und kann alle zwanzig Minuten aufs Klo. Was will ich also mehr?«
    Ich klingelte, und der Summer wurde betätigt. Langsam ging ich die Treppen hoch. Meine Schritte hallten laut nach, und mir war, als wäre die Stille dazwischen noch lauter. Jana stand im vierten Stock an den Türrahmen gelehnt und grinste zu mir runter. Ihre Haare waren auf Kinnlänge geschnitten, und sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Ihr linker Fuß war etwas vorgestellt und balancierte auf dem Hacken einer schwarzen Stiefelette. Sie trug eine Jeans und einen weinroten Rollkragenpullover. Die letzten zehn Stufen kamen mir endlos vor, es war, wie durch einen zähen Brei zu laufen. Dann nahmen wir uns in die Arme, sie hielt mich kurz fest und sah mir ins Gesicht und ich in ihres. Sie kam mir sehr vertraut vor, bis auf die Haarfarbe, die deutlich dunkler war als vor vielen Jahren. »Na du«, sagte sie und schob mich in die Wohnung.
    Noch im Mantel machten wir einen Rundgang durch die Wohnung. Ich hatte mir nur die Stiefel ausgezogen, und wir begannen im Zimmer ihrer Tochter Annabelle, das merkwürdig leer wirkte für eine Sechzehnjährige. Ein Bett, ein Schreibtisch und ein Stuhl. Ein großes Regal mit vielen Büchern, aber an den Wänden hingen keine Bilder oder Poster. Nur ein Fernseher und ein schmaler weißer Spiegel. So als würde Annabelle noch nicht lange hier wohnen. »Bei meiner Kleinen sieht es viel plüschiger aus«, sagte ich, und Jana meinte, dass ihre Tochter gerade renoviert habe und auch noch nie so ein Mädchenmädchen gewesen wäre.
    Das Wohnzimmer war größer, als ich erwartet hatte. Ein heller Holzfußboden, und an der Wand hingen drei schmale Bilder, auf denen ich jeweils nur eine Farbe erkennen konnte. Schwarz, Rot und ein sehr helles Grau. In der Mitte des Raumes standen ein zierliches beiges Sofa mit einem Edelstahlrahmen und ein dazu passender Sessel. Jana setzte sich in den Sessel, und ich ließ mich auf das Sofa fallen. Noch immer im Mantel, als würde ich gleich wieder gehen.
    »Du hast lange auf dich warten lassen«, sagte sie, und ich nickte.
    »Du aber auch. Du hast dich gar nicht gemeldet.«
    Jana griff nach einer Flasche Prosecco, die in einem Kühler auf dem flachen Glastisch vor uns stand, und öffnete sie. »Ich habe dich natürlich auch gesucht im Internet.« Sie zog den Korken raus und füllte die Gläser, die griffbereit vor ihr standen. Eigentlich trinke ich nie am Tag, weil ich das einfach nicht vertrage und viel schneller angetrunken

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