Was ich dir noch sagen will
einzelne Wort, das bei unserem schrecklichen Streit gefallen ist. Ich hatte niemals vor, dich zu hintergehen und heimlich hinter deinem Rücken die Pille abzusetzen. Mein Wunsch war bloß, mit dir über diese Option zu reden. Doch die vielen ungesagten Worte der letzten Monate haben zwischen uns eine Distanz geschaffen, die es mir unmöglich machte, richtig an dich heranzukommen.
Und noch immer weiß ich nicht, was wirklich in dir vorgeht. Ich kann nur ahnen, dass deine Angst und deine Abwehr gegenüber der Vaterrolle einen tieferliegenden Grund haben müssen, den du mir bislang vorenthalten hast. Doch was immer es ist – es ist dein Leben, und damit betrifft es auch mich. Ich will nur, dass du ehrlich zu mir und auch zu dir selbst bist.
Denn wenn alles Leid am Ende doch einen Sinn hat, dann wohl den, dass ich verstanden habe, mein Lebensglück nicht allein von Rahmenbedingungen wie einem Zuhause, einem Job oder auch einem Kind abhängig machen zu dürfen. Zwar muss ich mir eingestehen, dass der Wunsch nach einem Kind zwar irgendwo leise aus meinem Innersten kommt, aber er entstand auch aus einem spürbar gewachsenen Zeitdruck. Und vor allem, weil ich wohl unbewusst gespürt habe, wie sehr du mir seit Sansibar zu entgleiten drohtest. Ich dachte, ein Kind würde uns für immer verbinden. Es wäre ein Teil von dir.
Erst jetzt, da mich die Angst um dich so brutal überfallen hat, glaube ich zu wissen, worauf es wirklich ankommt. Es kommt darauf an, dankbar zu sein für das, was einem das Leben schenkt, statt zu hadern mit dem, was man nicht hat – oder vielleicht nur vermeintlich nicht hat. Ich weiß jetzt, was es heißt, wirklich loszulassen, und ich will versuchen, an dieser großen Herausforderung zu wachsen.
Der einzige Plan, den ich jetzt noch habe, ist, jeden Tag von tiefer Dankbarkeit erfüllt zu sein, wenn du wieder gesund wirst und du trotz allem, was geschehen ist, weiter mit mir Seite an Seite deinen Lebensweg teilen möchtest. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als neben dir einzuschlafen und neben dir aufzuwachen, mit dir zu frühstücken, zu kochen, auszugehen, herumzualbern, zu vereisen, zu reden und auch zu streiten. Mit dir zu lachen, zu weinen und Liebe zu machen. Ich wünsche mir einfach nur, mit dir zu Leben – ohne Listen und Ausflüchte.
Bitte verzeih mir all die bösen Worte, die ich dir gesagt habe – und noch viel mehr die Worte, die ich dir nicht gesagt habe.
In Liebe, deine – immer deine – Motte …
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31.
Lisa wälzte sich unruhig im Bett hin und her. Sie konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, ob sie zwischenzeitlich geschlafen hatte. Hellwach lag sie auf Eriks Seite des gemeinsamen Bettes, eingekuschelt in seiner Bettdecke.
Vor ihrem geistigen Auge tauchte immer wieder das ernste Gesicht von Prof. Weiländer auf, der sich bei einem weiteren Gespräch am Nachmittag vergeblich bemüht hatte, sie mit vielen Worten zu beruhigen. Auch Emis Stimme hallte in Lisas Kopf nach. «Wenn Erik aufwacht, spielen wir alle zusammen», hatte sie mit fester Überzeugung am Telefon gesagt, nachdem Lenny sich wie jeden Tag bei Lisa erkundigt hatte, ob es irgendetwas Neues gab. Er bot erneut an, am Abend in die Stadt zu kommen, um sie ein wenig abzulenken. Auch Jutta hatte vorgeschlagen, über Nacht bei ihr zu bleiben. Doch Lisa wollte lieber allein sein.
Genau genommen wollte sie natürlich am liebsten bei Erik sein, was sie aber nachts nicht durfte. Und hier in ihrer gemeinsamen Wohnung, in ihrem Bett, in Gedanken an ihn fühlte sie sich ihm immerhin noch am nächsten.
Als sie an diesem Abend zu Hause angekommen war und alle Telefonate – auch die mit Renate, Knuth und ihren Eltern – erledigt hatte, hatte Lisa sich noch einmal das fertige Fotoalbum vorgenommen und es wie einen kostbaren Schatz mit ein wenig Stolz, aber auch voller Wehmut betrachtet.
Und nun lag es auf Eriks Nachttisch, damit sie es ja nicht wieder vergaß, wenn sie gleich morgen früh zurück zu ihm ans Krankenbett ging. Zwar würde sie es nicht zu ihrem Brief unters Kopfkissen schieben können. Aber vielleicht war es gut für ihn, etwas Persönliches in seiner Nähe zu haben, das ihm Kraft geben würde.
Langsam hielt Lisa es nicht mehr aus in der Dunkelheit. Sie knipste die Nachttischlampe an und setzte sich auf. Vollkommen übermüdet rieb sie sich die Augen und verschwand kurz im Bad, wo sämtliche Utensilien von Erik, die sie nicht mit ins Krankenhaus genommen hatte, darauf
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