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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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sie aufwühlte, sondern Hysterie — in deren Getöse, in dem ihre eigenen Nöte widerhallten und ihnen gesagt wurde, was sie am meisten hören wollten: Kommt, hier ist Identität.
    »Die Frau da kenne ich«, sagte Sylvia. Sie nahm ihre blaue Brille ab und zeigte mit dem Bügel auf den Bildschirm.
    »Ja wirklich, Mum?« Emma drehte sich voller Hoffnung zu ihr um.
    »Ja«, sagte Sylvia bestimmt. »Das ist Mrs. Irving aus dem Bäckerladen.«
    ... verlor nie ihre Gabe zu lächeln und zu lachen...
    »Nein, Mum — weißt du nicht mehr?« Und sie sang ihrer Mutter »God save our gracious Queen, long live our noble Queen...« vor.
    »God save our gracious Queen, long live our noble Queen...« sang Sylvia sofort nach. Emma nickte, das bedächtige Nicken einer Lehrerin gegenüber einem Kind, bei dem endlich der Groschen gefallen ist, und dann sangen sie zusammen »God save the Queen«.
    Sylvia war in ihrer Jugend Gelegenheitssängerin gewesen, war in den Clubs und Pubs von County Cork mit irischen Folksongs aufgetreten, und eine sonderbare Laune ihrer Alzheimer-Krankheit war, daß sie ihr musikalisches Gedächtnis nicht zerstört hatte. So etwas ist nicht ungewöhnlich: Es gibt den berühmten medizinischen Fall eines Cambridge-Organisten, dessen Kurzzeitgedächtnis völlig von der Festplatte seines Hirns gelöscht ist und der trotzdem immer noch Toccata und Fuge von Anfang bis Ende spielen kann. Musik wie Gerüche beeinflussen das Gedächtnis auf eine Weise, die die Wissenschaft nicht ganz erklären kann, auf eine abstrakte, mystische Art. Die Fähigkeit, die den Alzheimer-Leidenden am meisten verlorengeht, ist das zeitliche Nacheinander — und doch ist Musik ja genau das: eine Abfolge von Noten, eine nach der anderen, wie die Worte in einer Geschichte. Aber wenn Emma ihre Mutter bitten würde, eine Geschichte zu erzählen oder eine Geschichte zu wiederholen, würde nur ein verlorener Ausdruck in deren Gesicht treten: Genauso wäre es allerdings, würde sie sie bitten, ihr ein Lied vorzusingen. Aber Emma hatte inzwischen gelernt, was sie tun mußte, und sie tat es jetzt oft, weil es die einzige Art war, auf die sie noch wirklich miteinander kommunizieren konnten. Sie begann einfach, ein Lied vorzusingen, und ihre Mutter stimmte dann sofort ein, sicher und ohne zu zögern. Manchmal rief Emma sie an und sang einfach in den Hörer. Joe hörte sie dann, wo immer im Hause er war, und wußte, daß ihre Mum am anderen Ende mitsang. Und sogar wenn Emma ein Lied vorsang, das ihre Mutter nicht kannte, sang sie es genau so nach, wie sie es von Emma hörte, auch wenn sie das neue Lied im nächsten Moment wieder vergaß.
    Als sie ihr »God save our Queen« zu Ende gesungen hatten, starrten sie wieder auf den Bildschirm. »Ja«, sagte Sylvia. »Das ist eindeutig Mrs. Irving.«
    Niemand, der Diana kannte, wird sie je vergessen. Millionen andere, die ihr nie begegnet sind, aber das Gefühl hatten, sie zu kennen, werden sie immer im Gedächtnis behalten.
    Sowohl Emma wie Joe verstummten eine Weile angesichts dieses Kristalltropfens von Schlichtheit inmitten all der Königinnengewichtigkeit. An dieser klaren Aussage war einfach nichts auszusetzen. Und während sie schwiegen, erwog Joe, seine Haltung ein wenig zu mäßigen. Ihm war klar, daß die emotionale Abwärtsspirale, in die ihre Beziehung geraten war, sich jetzt um ihre gegensätzlichen Reaktionen auf dieses Ereignis drehte.
    Ich teile Ihre Entschlossenheit, ihr Gedächtnis zu ehren.
    Emma schniefte, griff nach der Fernbedienung und zielte auf den breiten Schirm.
    »Nicht«, herrschte Joe sie an. Seine Stimme klang ihm selbst fremd; im Kommandoton war sie nicht geübt.
    »Warum nicht?«
    »Mein Gott, Emma. Ich wollte den Fernseher hundert Mal diese Woche abstellen. Und du hast mich nicht gelassen. Und das hier will ich mir jetzt wirklich angucken. Wenigstens ist es nicht noch so ein...«, er zögerte, wollte »beschissener« sagen, aber Sylvias Gegenwart hielt ihn zurück, obwohl er nicht wußte, warum, da sie es höchstwahrscheinlich nicht hören würde und ganz gewiß sich nicht merken, »... Rückblick auf ihr Leben und ihre Werke, oder noch so ein Idiot auf der Straße, der angeblich >unser aller< Gefühle ausspricht.«
    »Okay, Joe«, sagte Emma und stand auf. »Ich kenne deine Einstellung ja.«
    »Nun... ich will ja nicht den Herzlosen spielen. Du weißt, daß ich nichts gegen Rührseligkeit habe und daß ich auch gern mal richtig weine. Aber nur wenn es Spielberg oder

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