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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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Quatsch, daß bei Leuten mit Aids die Allergien verschwinden, hab ich noch nie gehört. Und wie soll ich überhaupt wissen, ob du mir die Wahrheit über Emmas Tumor sagst!« Trotz des grellen Laborlichts glühten Vics Pupillen schwarz und riesig. »Außerdem habe ich keine Ahnung, was du mit mir angestellt hast, solange ich k.o. war. Du mußt schließlich Blutproben mit dem Virus hier haben. Vielleicht hast du ihn mir ja injiziert!«
    Er suchte verzweifelt in Joes Augen, konnte aber kein Anzeichen von Schuld darin entdecken. Joe zog sich nur seelenruhig den anderen Handschuh aus.
    »Ich schätze, das wird zu den Dingen gehören, über die du niemals Gewißheit erlangst«, sagte er mit einem Gesichtsausdruck, der am äußersten Rand des Spektrums von neutral lag.
    Plötzlich war Vics Zorn so groß, daß das drückende Gewicht der Depression verflog. Was seine Wut schürte, war weniger, was Joe sagte, sondern seine Art. Vic brauchte ein Ventil, und direkt vor seiner Nase fand er eins. Mit beiden Händen hob er die Grey Lady hoch und schleuderte sie in Diskuswerfermanier mit aller Kraft auf das Fenster zu. Das Mikroskop schlingerte ziemlich langsam durch die Luft, wie das Zubehör einer futuristischen Stummfilmmaschinerie. Bluttropfen spritzten von der festgeklemmten Platte und hinterließen auf dem Boden eine Spur. Und dann flog die Grey Lady mit einem allmächtigen Krach durch die dicke Scheibe — die aus doppelt verstärktem Schutzglas war, denn Friedner bekam seinen Teil von den Drohungen der Tierfreunde ab. Der Knall zerriß die tiefe Stille der Kentnacht. Das Glas ging nicht mal richtig in Scherben dabei, sondern schien sich eher aufzulösen, in Millionen winzige Partikel zu pulverisieren, ehe es aus seiner vertikalen Position fiel, wie eine Windschutzscheibe, dachte Vic — dem klar war, warum ihm das Bild in den Kopf kam.
    »Oh«, sagte Joe und blinzelte. »Das ist schade.« Er schüttelte den Kopf. »Da geht deine beste Chance auf Heilung dahin.«
    Vic atmete schwer: Irgendwas an diesem hinterhältigen Spott bewirkte, daß ihm Joe plötzlich leid tat. Joe hatte sich verloren. Der kalte Rächer, das war nicht mehr er, bloß eine Stimme und ein Gesicht, die er sich auslieh, weil sein altes freundliches, gefälliges und versöhnliches Wesen von den Ereignissen hinweggefegt war. Für den Augenblick mochte das schön und gut sein, aber was wollte er morgen tun? Welchen Sinn wollte er seinen Tagen geben?
    Doch Vics Mitleid verging. Er sah sich nach einer anderen Waffe um, die er durch die Luft schleudern konnte, und er fand sie, allerdings in seinem Kopf.
    »Tess!«
    »Was ist mir ihr?«
    »Wenn es stimmt, was du sagst, dann müßte sie HIV positiv sein. Und das ist sie nicht.«
    »Woher weißt du das?«
    »Weil sie einen Test machen lassen mußte. Vor ihrem neuen Job im Ausland. Und er war negativ.« Er erinnerte sich, wie sie es ihm gesagt hatte, die gute Nachricht vor der schlechten — daß sie fortging. Über Joes Gesicht huschte ein Ausdruck, den Vic nicht entziffern konnte.
    »Ich glaube«, sagte er, zog seinen weißen Kittel aus und ging hinüber zu den Haken an der Tür, »daß Tess immer auf Kondomen bestand... oder nicht?«
    Vic blinzelte; das volle Gewicht seiner Niederlage traf ihn jetzt. »Ich kann mich nicht erinnern, dir erzählt zu haben, daß...«
    Joe zuckte die Achseln. »Soll ich dich in meinem Wagen mitnehmen?« fragte er.
    Vic wandte den Kopf ab und blickte durch das glaslose Fenster; es sah fast genauso wie vorher aus, nur war ihrer beider verschwommenes Spiegelbild nicht mehr darin zu sehen, verschwunden wie ein vergessener Traum. Vics Arsenal war leer. Nur eine einzige Waffe blieb ihm noch, um Joes unerträglichen Panzer zu durchstoßen. Er konnte ihm die Wahrheit sagen.
    Er konnte ihm erzählen, daß er in der Tat mit Emma zusammengewesen war. Und daß es nicht geendet hatte, wie es hätte sein sollen, nicht wie Geschichte und Mythologie es von einer Romanze erhoffen: daß die Liebenden aller Unbill mit leidenschaftlichem Sex trotzen. Er könnte Joe schildern, wie sie ins Bett gegangen waren und es am Anfang gut lief, ihre qualvolle Lage sie sogar noch anspornte, so als besäße Sex an sich schon Heilkraft, sei so gut für die Gesundheit, wie es immer in den Boulevardblättern stand, denen sie ausnahmsweise einmal Glauben schenkten: Vics Hände waren voller Vitamine, seine Zunge ein Transplantat, sein Penis eine Chemotherapienadel. Und daß das der Punkt war, wo es schiefging, denn als ihm

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