Was man so Liebe nennt
diese Bilder erst einmal in den Kopf gekommen waren, wurde er sie nicht mehr los, und sie verhinderten seine sinnliche Trance. Er könnte es Joe noch genau beschreiben, wie er plötzlich nur noch Wulste an ihrem Körper sah, der sich anfühlte wie die Oberfläche eines fremden Planeten. Alles erinnerte ihn an Krebs, besonders die sexuellen Körperteile. Ihre Brüste erschienen ihm wie zwei schwarze Geschwülste; ihre Pobacken wie die kahlen Köpfe von Leukämiekindern; ihre Vagina wie ein Chirurgenschnitt. Und als diese Bilder ihren unausweichlichen Zoll forderten und Emma, seine Schlaffheit in der Hand, fragte: »Was ist los?«, da hatte er es ihr nicht sagen können, o Gott, was hätte er ihr denn sagen sollen — um des Himmels und der Erde willen, was? Statt dessen war er weggerannt. Er war aus dem Bett gesprungen, hatte seine Kleider geschnappt und war aus der Wohnung gestürmt. Die Kleider hatte er sich auf der Treppe übergezerrt. Und als er sie das nächste Mal sah — zum letzten Mal — , da hatte er sich auf seinem Roller umgedreht, gelächelt und einer attraktiven Frau, die ihn angeschoben hatte seinen hochgehaltenen Daumen hingereckt.
All das konnte er Joe erzählen, wie am Ende der Tod gesiegt, einen maßlosen Sieg davongetragen hatte. Er hatte die Liebe haushoch geschlagen. Und angesichts der Dinge, die er gerade von Joe erfahren hatte, könnte er hinzufügen, wies scheint, hatte er Emma gleich zweimal umgebracht. Einmal, weil er sie gefickt hatte, und einmal, weil er sie nicht gefickt hatte. All das könnte er sagen. Aber er schämte sich einfach zu sehr. Immer würde er einfach zu beschämt sein.
»Ja, nimm mich mit«, sagte er, weil er nicht wußte, wie er sonst heimkommen sollte.
© der deutschen Ausgabe: Verlag Antje Kunstmann GmbH,
München 2000
© der Originalausgabe: David Baddiel 1999
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel Whatever Love Means
bei Little Brown & Company, London
Umschlaggestaltung: Michel Keller, München,
unter Verwendung eines Fotos von Rex Features
Satz: Schuster & Junge, München
Druck und Bindung: Clausen & Bosse, Leck
isbn 3-88897-233-7
1 2 3 4 5 • 04 03 02 01 00
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