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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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aber auch Arschlöcher schoß ihm durch den Kopf — ein langgezogenes Gebrüll, das o eine Ewigkeit gedehnt, die ganzen zwei Minuten lang, bis es hart mit e endete, ein einsames Geheul über den Himmelsbogen, Fooooooooo, aber ehe Joe die Chance hatte, seinem Drang zu folgen — was er in Wahrheit sowieso selten tat, das war eher die Domäne seines Freundes Vic endete die Stille. Er konnte es hören, das Wiederansteigen von Klangfetzen hier und dort, die leisen Schritte und das Raunen von Millionen unterdrückten Hustern in der Stadt — wie bei einem riesigen Publikum zwischen den Sätzen einer Symphonie. Joe verscheuchte seinen Drang, kehrte London den Rücken, London mit seinem Zirkus an der Oxfordstreet und seinem Zirkus in Picadilly, und machte sich auf den Weg nach Hause, wo seine Frau in Tränen dasitzen würde — Tränen, die sie, das wußte er, wütend gegen ihn wenden würde wegen seiner Abwesenheit.

    Joe hatte sich rasend in Emma verliebt. Das war seine Art. Mit beiläufigem Sex hatte er seine Probleme, weil er sich immer gleich verpflichtet fühlte, so lächerlich dankbar war, daß er immer in Kontakt blieb. Selbst die lächerlichsten, unpassendsten betrunkenen Abstürze endeten bei ihm zumindest in einer Minibeziehung. Was alles vielleicht daran lag, daß er in einer sehr tiefen Schicht keine Ablehnung ertragen konnte, oder genauer, fürchtete, er könnte sofort in die Kein-Interesse-Kategorie gesteckt werden. Er hatte panische Angst vor jenem post-post-koitalen Moment, wo er an der Tür stand und die Frau durch das verhangene Dämmerlicht zu ihm hinsähe und ihr Blick verriet, daß sie keinen Austausch von Telefonnummern erwartete, keine Versprechungen. Und Joe fühlte sich immer entsetzlich unter Druck, dieser Nichterwartung zu trotzen.
    Außerdem hatte er sich lange Zeit gelassen, bis er sich dem Reigen anschloß, und erst an der Universität seine Jungfernschaft verloren, an eine ältere Studentin namens Andrea. Wie für ihn typisch, blieb er während seines ganzen Studiums mit Andrea zusammen, was den Keim für seine zukünftige unterschwellige Dauersorge legte, er habe zu einer Zeit, in der anscheinend alle anderen es taten, seine sexuellen Möglichkeiten nicht voll ausgeschöpft. Was das gleiche Gefühl, das er auch schon wegen seiner Teenagerzeit hatte, als ihn Schüchternheit an einem solchen Ausschöpfen hinderte, noch verstärkte.
    Andrea verließ Joe schließlich wegen ihres Tutors, dem Biochemiedozenten Dr. Henry Monroe, mit dem sie, wie sich herausstellte, fast die ganzen drei Jahre, die sie mit Joe zusammen war, eine Affäre hatte. Joe meinte, er müsse niedergeschmettert sein, und eine kurze Zeit war er es auch, wurde sich aber bald klar, daß er nie mit Andrea gebrochen hätte, und so ging er dazu über, Dr. Monroe als eine Art Retter zu betrachten. Unmittelbar nach seinem Examen faßte er den Vorsatz zu wikingerhaft wilder Promiskuität, um die verlorene Zeit wettzumachen, stieß dabei aber schnell an seine innere One-Night-Stand-Mauer und begnügte sich fortan mit serieller Monogamie. Bis zu Emma, bei der er sofort das Gefühl hatte, daß sie die letzte in der Serie war.
    Er traf sie im Chaise, unmittelbar vor Weihnachten 1989. Er war in den Laden gegangen, um nach Möbeln für die Wohnung zu suchen, in die er mit Deborah einziehen wollte, seiner damaligen Freundin, einer scharfsichtigen, selbstsicheren Frau, die sich vor allem sicher war, daß Joe für immer bei ihr bleiben würde. Laß uns die neue Dekade damit beginnen, daß wir was Verbindliches aus unserer Beziehung machen, hatte sie gesagt und das Zusammenziehthema angeschnitten, und Joe hatte, wie immer, wenn Frauen die Initiative ergriffen, ja gesagt.
    »Tut mir leid, ich arbeite nicht hier«, hatte Emma gemurmelt und von dem großen DIN-A3-Bogen aufgeblickt. Da vorn im Laden kein Verkäufer zu sehen war, hatte Joe den Kopf durch einen Torbogen an der Hinterseite gesteckt und war in einen Lagerraum vorgedrungen, der viel zu klein war für die anscheinend wahllos herumliegenden und gestapelten Beine, Tischplatten, Stoffe und Werkzeuge; das Ganze sah aus, als hätte ein aufsässiges Riesenkind all seine Spielzeuge zerbrochen und sich geweigert, das Chaos aufzuräumen. »Also, natürlich arbeite ich hier. Aber ich verkaufe das Zeug nicht, ich entwerfe es. Einiges davon.«
    Joe betrachtete ihr Gesicht, die schimmernde weiße, leicht sommersprossige Haut, die — wohl eher ererbte als erhungerte — leichte Hohlheit der Wangen,

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