Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen (German Edition)
Aufregung wieder, und so kann ich mich in Ruhe auf die beiden paar Schuhe konzentrieren, die an meinem Versteck vorbeigehen. Sie hat immer noch die Angewohnheit, auf den Außenseiten der Füße zu gehen ...
Mein Herz schlägt nach ihr, aber die Schuhe gehen, ohne zu zögern, vorbei, und ich fange wieder an zu atmen. Wieso gehe ich nicht einfach zu ihr hin und begrüße sie als das, was sie ist: eine Ex. Und hopp. nein ! Ich brauche Zeit. Und Alkohol. Und Zeit. Und Alkohol.
Das Gebüsch zittert, und ich erkenne an den Geräuschen, dass die beiden Buschmenschen endgültig beschlossen haben, mich zu ignorieren. Kurze Zeit später nähere ich mich in Lichtgeschwindigkeit dem Zustand völliger Unzurechnungsfähigkeit. Es riecht nach Erde und Sex – und dazu die Geräusche ... Noch eine einzige Minute in diesem Gebüsch, und ich kann für nichts garantieren. sensation! unbekannter rocksänger wild onanierend im gebüsch angetroffen! gertrude r . (78): » er hatte schaum vor dem mund und machte es mit beiden händen !«
Um meine Personalakte auf Diät zu lassen, rolle ich mich im letzten Moment aus dem Gebüsch heraus und richte mich vorsichtig auf. Links, rechts, links – alles klar, die Luft ist rein. Pardon, eine alte Redensart.
Max sitzt auf einer Gartenbank und schaut mich kopfschüttelnd an. Bringt mich echt weiter. Was ich jetzt brauche, ist der Beistand einer speziellen Mixtur aus Alkohol und Früchten sowie ein Platz mit einem Fluchtweg. Beides gibt es hier nicht, also winke ich Max zum Abschied und schwanke Richtung Haus, um eine Gelbfruchtplantage abzuernten.
Als ich endlich ein volles Glas und einen gefüllten Teller vor mir habe, kommt Heike auf mich zugeschossen. Erst im letzten Moment bremst sie ab. Der Inhalt ihres Glases ist träger und vermischt sich mit dem Zeug auf meinem Teller.
»Tacheles!«, ruft sie. »Schön, dass du da bist!«
Ich nicke und lasse die Rituale widerstandslos über mich ergehen. Links, rechts, links, Bussi, Bussi, Bussi.
Heike ist die Mutter jeder Party und eine amtliche Partypädagogin. Sobald sie eine Menschenversammlung betritt, fühlt sie sich für das Wohl jedes Anwesenden verantwortlich. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass die meisten Partygänger sich von ihr anstatt von den Gastgebern verabschieden.
»Ist es nicht eine tolle Party?«, jubelt sie und strahlt nach allen Seiten.
Ihre Hände berühren mich immer wieder, und ihr Lachen will mir vermitteln, dass wir alle eine große Familie sind. Sie macht den Eindruck, als wäre sie glücklich, aber ich habe sie noch nie ohne ein Glas in der Hand gesehen.
Sie jubelt weiter. Ich nicke und schüttele abwechselnd den Kopf, und weil sie am schnellsten wieder abhaut, wenn sie nicht gebraucht wird, schenke ich ihr ein begeistertes Lächeln. Sie zischt ab, um anderswo Menschenleben zu retten.
Max winkt mir zu und verdreht die Augen nach links, also schiele ich in den Westen. Die Tänzerin ist wieder im Anmarsch und macht mir laute Zeichen, stehen zu bleiben.
Der Fluchtweg führt mich durch ein Schlafzimmer, wo ich schon wieder einer Vereinigung störend gegenüberstehe. Zwei nackte Leiber erstarren auf dem Bett. Vielleicht wird ihnen ja gerade klar, was sie da eigentlich treiben. Ich meine, in diesem Haus eine Nummer zu schieben und dann noch im Schlafzimmer ... Die müssen ja total bescheuert sein. Ich überlege kurz, ob ich ihnen die Kamera zeigen soll, aber die Zeit drängt.
»Geile Party, was?«, rufe ich ihnen im Vorbeilaufen zu.
Während ich das Fenster öffne, riskiere ich einen Zweitblick. Sie liegen noch immer in derselben Position und starren zu mir rüber. Ich winke ihnen zu und springe im selben Moment ab, als die Tänzerin das Schlafzimmer betritt.
Zwei Meter Freiflug und wieder mal am Boden. Beim Abrollen krache ich in ein paar Gartenstühle, und der Salat klatscht mir aufs Hemd. Sieht aus wie etwas, in das ich neulich getreten bin.
Max materialisiert sich neben mir, schnappt sich meinen Arm und marschiert los. Wohin? Keine Ahnung. Warum? Ich habe letztes Mal gefragt.
Er drückt mich auf eine Gartenbank, gibt mir ein Warte-hier-Zeichen und lässt mich dann alleine. In meinem Kopf toben die Erinnerungen, weiter unten die Bananen. Plötzlich überfällt mich eine tonnenschwere Müdigkeit. Ich lasse mich gegen die Rückenlehne sacken und fühle mich wie ein Alt-achtundsechziger in den Neunzigern – mir wird alles egal.
Der Garten gerät in Schwung. Jemand hat Benzin ins Feuer gekippt, und die
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