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Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Titel: Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Bucht von Sydney blickte, begriff ich, dass ich niemals der Entdecker werden würde, der ich zu sein wünschte. Die Ergebnisse meines Aufenthalts auf Island und meiner Unternehmungen im Pazifik waren mager. Jeder Matrose, der schreiben kann, hätte sie schneller als ich zusammentragen und ebenso gut an Sie schicken können. Um außerordentliche Entdeckungen zu machen und ein Held der Geografie zu werden, muss man sich den Gewalten stärker aussetzen, mehr Risiken eingehen, größere Opfer erbringen. Ich habe mich darin versucht und weiß nun, dass die Latte zu hoch für mich liegt. Der Traum, dem ich fünf Jahre lang hinterhergejagt bin, hat sich auf der anderen Seite des Erdballs verflüchtigt, und ich bin klug genug, es einzusehen. Ich trage den Titel eines außerordentlichen Mitglieds Ihrer Gelehrtengesellschaft, ein noch gewichtigerer steht mir nicht zu. Aus mir wird kein großer Entdecker.
    Der Fall des weißen Wilden soll mein Abschiedsgeschenk an die Geografie sein. Ich werde versuchen, mehr über seine abenteuerliche Geschichte zu erfahren, und ihm helfen, die französische Sprache wiederzuerlangen, damit er uns von seinem Exil bei den Wilden berichtet. Diese kuriose Anekdote aus dem Leben eines Mannes darf nicht verloren gehen.
    Meinem Schreiben werden zwei oder drei weitere folgen, je nachdem, welche Fortschritte Narcisse zeigt – falls das denn wirklich sein Name ist – und welche anschaulichen Details er über die Sitten und Gebräuche seiner Gastgeber offenbart. Ich habe nicht die Absicht, ein Buch daraus zu machen, und weiß auch nicht, was danach aus ihm wird. Daher gestatte ich mir, Ihnen zu schreiben, auf dass Sie in meinen Briefen nachvollziehen, welche Fragen ich mir stelle und welche Entwicklungen er durchläuft.
    Als ich ihm im Garten gegenüberstand, drückten seine Haltung und sein Blick ein viel stärkeres Gefühl aus als Neugier oder Erstaunen. Ich begriff dies erst in dem Moment, da ich meine Entscheidung fällen sollte. Was ich in seinen Augen gesehen hatte, war panische Angst gewesen, das Entsetzen eines in die Enge getriebenen Tieres. Letztlich bin ich der Bitte nachgekommen, um ihn von dieser Angst zu befreien.
    Da Sie sich mir gegenüber immer wohlwollend gezeigt haben, werden Sie die Aufarbeitung seiner Geschichte vielleicht lohnenswert finden. Ihre Ratschläge kämen hierbei einer Offenbarung gleich, nach der ich mich wie ein Gläubiger richten würde. In der Zwischenzeit schicke ich Ihnen all meine Beobachtungen und überlasse es gelehrteren Köpfen als dem meinen, die Spreu vom Weizen zu trennen.
    Hochachtungsvoll …

2
    Wasser. Wasser auf seinen rissigen Lippen, an seinem Gaumen, in seiner Kehle. Wasser, das erdig schmeckte – Wasser, das floss und floss. Sein Mund hatte die Öffnung des Gefäßes gefunden und sich daran festgesaugt. Er hielt seine Augen geschlossen, wollte nicht sehen, wer sich da um ihn kümmerte – nur trinken, ohne Unterlass trinken, nach Herzenslust trinken wie seit Kapstadt nicht mehr. Ähnlich einem Bewässerungskanal, der sich füllt und den Strom in alle Windungen weiterleitet, belebte das Wasser allmählich seinen brennenden Rumpf, seinen brummenden Kopf, seine müden Schenkel und Arme. Es rann über seine Wangen, über sein Kinn, über seinen Hals, rann, als wollte es noch schneller jede Stelle seines durstenden Körpers erreichen.
    Er hätte immerzu weitertrinken können, ewig weiter. Doch noch bevor sein Durst gestillt war, entfernte sich plötzlich das Gefäß. Mühevoll öffnete er die Augen, um zu sehen, wer ihn gerettet hatte.
    Über ihn gebeugt war ein schwarzes, runzeliges Gesicht. Mit krausem grauen Haar und Spuren roter Erde an den Wangenknochen und auf dem Nasenrücken. Ein durchdringender Blick, nicht das geringste Lächeln. Kein Wort. Eine Frau, eine alte. Er rutschte ein wenig auf seinem Lager zurück, um sie besser sehen zu können. Tatsächlich, eine alte Frau, vollständig nackt und kohlrabenschwarz, miteiner Lederhaut wie ein Büffel und schlaff herabhängenden Brüsten. Sie hockte neben ihm, hielt einen aus Tierhaut gefertigten, schlauchähnlichen Wassersack in der Hand und kümmerte sich nicht um die zahllosen Fliegen, die sie umschwirrten und sich in ihren Augenwinkeln niederließen. Die beiden sahen einander lange an, sie verschlossen, er unsicher, was er sagen oder tun sollte. Dann reichte sie ihm wieder den Wassersack, den er nahm und in großen Schlucken leer trank. Der strenge Geschmack nach Staub und Wollfett machte ihm

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