Was nicht passt, wird kuessend gemacht
sie das nervte.
„Ich will nicht darüber sprechen“, murmelte sie und fragte sich, wann der letzte Restalkohol sich wohl aus ihrem Körper verflüchtigen würde.
„Das wirst du aber müssen. Dieser Job ist genau das, was du gewollt hast. Du hast gesagt, du suchst eine Herausforderung. Tucker bietet dir genau das. Er glaubt, dass du eine Bereicherung für sein Team wärst.“
Ihren Schwestern zu erzählen, was damals geschehen war, war eine Sache. Aber mit ihrem Bruder darüber zu sprechen? Niemals!
„Ich bin nicht mehr interessiert.“
„Warum nicht? Ich verstehe das nicht. Hast du Angst?“
„Nein.“
„Was ist es dann?“
Ethan war ein großartiger großer Bruder. In der Schule hatte er ein Auge auf seine kleinen Schwestern gehabt und als Erwachsener seine eigenen Träume hintangestellt, um den Familienbetrieb zu übernehmen und seine jüngeren Geschwister durchs College zu bringen. Unter seiner Leitung war Hendrix Construction gewachsen, und er hatte zusätzlich die erfolgreiche Sparte mit den Windkrafträdern aufgebaut. Er war ein guter Mann.
Deshalb konnte sie ihm auch nichts über ihre schmutzige Vergangenheit mit Tucker erzählen. Ethan würde sich verpflichtet fühlen, etwas zu unternehmen, was die Situation nur noch komplizierter machen würde.
„Ethan, ich hab dich wirklich gern. Lass es gut sein.“
Er schaute sie lange an, dann zuckte er mit den Schultern.
„Tucker ist ein toller Kerl. Warum willst du nicht mit ihm arbeiten?“
„Darum nicht.“
„Du bist dumm, weißt du das?“
„Ja.“
„Okay. Es ist deine Entscheidung.“
Er verließ ihr Büro.
Nevada blieb allein zurück, ihr dröhnte der Kopf, ihre Gedanken kreisten um die Vergangenheit und die unglückselige Episode mit Tucker. Sie versuchte, sich mit Arbeit abzulenken, konnte aber nicht auf ihren Computermonitor schauen. Nicht mit diesen Kopfschmerzen. Sie fügte sich ins Unvermeidliche, meldete sich für den Tag ab und ging zu Fuß nach Hause.
Der Spätsommer am Fuß der Sierra Nevada war eine wunderschöne Jahreszeit. Fool‘s Gold lag auf knapp achthundert Metern. Gerade hoch genug, um alle vier Jahreszeiten zu haben, aber nicht so hoch, dass der Schnee bis zum Frühsommer liegen blieb. Im Osten ragten die zerklüfteten Bergkuppen auf, im Westen lagen die Weinberge und der Highway, der nach Sacramento führte.
Nevada entschied sich für einen etwas längeren Weg nach Hause, weil sie lieber durch die weniger belebten Straßen gehen wollte, wo sie weniger Gefahr lief, jemanden zu treffen und sich unterhalten zu müssen. Da sie sich fühlte wie von einem Lkw überfahren und außerdem das unbändige Bedürfnis hatte zu weinen, wollte sie einfach nur allein sein und keine Erwartungen erfüllen müssen.
Wie immer wurde ihr beim Anblick ihres Hauses sofort leichter ums Herz. Es war in den 1920er-Jahren von einem Mann gebaut worden, der alles Viktorianische liebte. Die zwei Stockwerke erhoben sich über die Nachbarhäuser – ein verspieltes Schätzchen zwischen modernen Bauten neueren Datums. Sie hatte es drei Jahre zuvor gekauft und selbst vom Keller bis zum Dachboden renoviert.
Das frühere rosafarbene Haus erstrahlte nun in einem gediegenen Grau mit gebrochen weißen Fenster- und Türrahmen. Es hatte an beiden Seiten einen Turm – in dem einen befand sich das große Badezimmer, der andere war Teil des Gästezimmers.
Das Erdgeschoss hatte sie in zwei kleine Wohnungen unterteilt, die sie an Collegestudenten vermietete. Dieses Jahr waren es zwei Jungen, die irgendetwas mit Computern machten. Sie wusste nicht genau, was, aber sie waren sehr ruhig und zahlten ihre Miete pünktlich, das reichte ihr.
Langsam stieg sie die Haupttreppe in den ersten Stock hinauf – zu ihrer großzügig geschnittenen zweistöckigen Wohnung. Nachdem sie ihr Wohnzimmer durchquert hatte, ging sie die kleinere Treppe in den zweiten Stock hinauf, wo sich ihr Badezimmer befand.
Den Hauptteil ihres Budgets und ihrer Zeit hatte sie auf das Badezimmer und die Küche verwandt, und sie war stolz darauf, wie schön beide Räume geworden waren. Das Badezimmer war riesig, es hatte eine große Dusche und eine Badewanne auf Klauenfüßen. Die großen Milchglasfenster ließen viel Licht herein und wahrten doch gleichzeitig ihre Privatsphäre, und wenn sie sich in der Wanne ausstreckte, konnte sie den Kamin im Schlafzimmer sehen.
Mit immer noch dröhnendem Schädel stellte sie das heiße Wasser an und warf eine Handvoll Jasminbadeperlen in die Wanne.
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