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Was Pflanzen wissen

Was Pflanzen wissen

Titel: Was Pflanzen wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Chamovitz
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beeinflussen diese ihr Verhalten?
Ungeklärte Phänomene
    Meine Großmutter hat weder Pflanzenbiologie noch Landwirtschaft studiert und noch nicht einmal die höhere Schule abgeschlossen. Aber sie wusste, dass sie eine harte Avocado weich bekam, wenn sie sie zusammen mit einer reifen Banane in eine braune Papiertüte steckte. Diesen Zaubertrick hatte sie von ihrer Mutter gelernt, die ihn von ihrer Mutter hatte, usw. Diese Praxis reicht zurück bis in die Antike. Die Kulturen des Altertums hatten mehrere Methoden, Früchte zum Reifen zu bringen. Die alten Ägypter schlitzten ein paar Feigen auf, um die Früchte eines ganzen Baumes reifen zu lassen, und im alten China verbrannten die Leute rituelles Räucherwerk in Vorratsräumen, damit die gelagerten Birnen reiften.
    Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ließen Bauern in Florida Zitrusfrüchte in Schuppen reifen, die mit Kerosin geheizt wurden. Sie waren sich sicher, dass die Wärme die Reifung erzeugte, und das klingt ja auch plausibel. Doch dann steckten sie in der Nähe der Zitrusfrüchte ein paar elektrische Heizöfen ein und mussten entsetzt feststellen, dass die Früchte so unreif blieben, wie sie waren. Wenn es also nicht die Wärme war, bewirkte dann womöglich das Kerosin den Reifungszauber?
    Das war tatsächlich der Fall, wie sich später herausstellte. Im Jahr 1924 bewies Frank E. Denny, ein Wissenschaftler vom US-Landwirtschaftsministerium in Los Angeles, dass Kerosinrauch winzige Mengen eines Moleküls namens Ethylen (oder Ethen) enthält und dass die Behandlung jeder beliebigen Art von Früchten mit reinem Ethylengas genügt,um die Reife einzuleiten. 19 Die Zitronen, die er untersuchte, waren so empfindlich dafür, dass sie schon auf eine winzige Beimischung davon in der Luft (nämlich im Verhältnis von 1 zu 100 Millionen) reagieren konnten. Es zeigte sich, dass auch der Rauch von chinesischem Räucherwerk Ethylen enthielt. Ein vereinfachtes wissenschaftliches Modell würde daher so aussehen, dass die Frucht die winzigen Mengen von Ethylen im Rauch »riecht« und diesen Geruch in eine schnelle Reifung »übersetzt«. Wir riechen den Rauch vom Grillfest der Nachbarn, und das Wasser läuft uns im Mund zusammen; eine Pflanze nimmt Ethylen in der Luft wahr und wird weich.
    Aber diese Erklärung lässt mehrere Fragen offen: Erstens, warum reagieren die Pflanzen überhaupt auf das Ethylen im Rauch? Und zweitens, was hat es mit der Technik meiner Großmutter auf sich, zwei Arten von Früchten zusammen in eine Tüte zu stecken? Und was mit der Sitte der Ägypter, ihre Feigen anzuritzen? Versuche, die Richard Gane in den 1930er-Jahren in Cambridge machte, deuten auf eine Antwort hin. Gane analysierte die Luft, die reifende Äpfel unmittelbar umgab, und zeigte, dass sie Ethylen enthielt. 20 Ein Jahr nach seiner Pionierleistung stellte eine Gruppe am Boyce Thompson Institute an der Cornell University die These auf, Ethylen sei das universelle Pflanzenhormon, das für die Reifung der Früchte zuständig ist. Bei zahlreichen Folgestudien hat sich auch tatsächlich herausgestellt, dass alle Früchte einschließlich der Feigen diese organische Verbindung abgeben. Also enthält nicht nur Rauch Ethylen, sondern es geben auch ganz normale Früchte dieses Gas ab. Wenn die Ägypter ihre Feigen anritzten, dann erleichtertensie es damit dem Ethylen, zu entweichen. Stecken wir eine reife Banane beispielsweise mit einer harten Birne zusammen in eine Tüte, dann gibt die Banane Ethylen ab; das »riecht« die Birne und wird ebenfalls zügig reif. Die beiden Früchte teilen einander gleichsam ihren jeweiligen Zustand mit.
    Etyhlensignale zwischen Früchten haben sich natürlich nicht entwickelt, damit wir vollreife Birnen schmausen können, sooft uns danach gelüstet. Vielmehr hat sich das Ethylen als hormoneller Regulator für die Reaktion von Pflanzen auf Umweltstress wie etwa Trockenheit oder Verletzung herausgebildet. Es wird von Natur aus über den gesamten Lebenszyklus einer Pflanze hinweg produziert (selbst bei kleinen Moosen). Aber eine besonders wichtige Rolle spielt Ethylen bei der Pflanzenalterung. Denn es ist der Hauptregulator für die Blattseneszenz (den Alterungsprozess, der die Blattfärbung im Herbst verursacht) und wird in verschwenderischer Fülle in reifenden Früchten produziert. Das Ethylen, das reifende Äpfel erzeugen, gewährleistet nicht nur, dass die ganze Frucht gleichmäßig reift, sondern auch, dass die benachbarten Äpfel ebenfalls reifen, die dann sogar

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