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Was Pflanzen wissen

Was Pflanzen wissen

Titel: Was Pflanzen wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Chamovitz
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geschlossenen Behälter. Dann wurden die beiden durch ein Rohr miteinander verbunden, das seitlich in den Behälter mit dem Teufelszwirn hineinreichte, sodass ein freier Luftaustausch möglich war. Der isolierte Teufelszwirn wuchs stets auf das Rohr zu, was darauf hindeutete, dass die Tomatenpflanze einen Geruch abgab, der durch das Rohr in den Behälter des Teufelszwirns zog und für diesen attraktiv war.
    Falls sich die Cuscuta tatsächlich auf den Geruch der Tomate zubewegte, konnte De Moraes vielleicht einfach ein Tomatenparfüm herstellen und sehen, ob der Teufelszwirn darauf zuwuchs. Sie machte aus dem Extrakt von Stängeln ein Eau de Tomate , träufelte es auf Wattebäusche, steckte sie auf Stäbchen und diese dann in Töpfe neben dem Teufelszwirn. Zur Kontrolle träufelte sie einige der Lösungsmittel, die sie zur Gewinnung des Tomatenparfüms benutzt hatte, auf andere Wattebäusche, die sie ebenfalls auf Stäbchen steckte und neben der Cuscuta platzierte. Wie vorhergesagt, konnte sie die Pflanze dazu bringen, auf die Watte mit dem Tomatengeruch zuzuwachsen. Die Wattebäusche mit den Lösungsmitteln blieben unbeachtet.
    Ein Teufelszwirn kann also offenkundig eine Pflanze riechen, um zu seiner Nahrung zu finden. Aber wie bereits erwähnt, hat dieser Schädling seine Vorlieben. Wenn er die Wahl zwischen einer Tomate und Weizen hat, wählt er die Tomate. Wenn man eine Cuscuta an einer Stelle wachsen lässt, die gleich weit von zwei Töpfen entfernt ist – einem mit Weizen und einem mit Tomaten –, dann kriecht sie zu den Tomaten. Und selbst wenn es allein um den Duft geht und gar nicht um die ganze Pflanze, zieht Cuscuta das Eau de Tomate einem Weizenparfüm vor.
    Die chemische Grundlage der Duftwässer aus Tomate und Weizen ist ziemlich ähnlich. Beide enthalten die flüchtige Verbindung beta-Myrcen (einen von Hunderten bekannter elementarer chemischer Düfte), die für sich allein Cuscuta veranlassen kann, ihr entgegenzuwachsen. Warum dann die Präferenz? Ein klarer Pluspunkt ist die Komplexität des Bouquets. Außer beta-Myrcen sondert die Tomate noch zwei weitere flüchtige chemische Stoffe ab, zu denen sich der Teufelszwirn hingezogen fühlt, sodass ein für die Cuscuta alles in allem unwiderstehlicher Duft entsteht. Weizen hingegen enthält nur einen einzigen für die Cuscuta attraktiven Duft, nämlich das beta-Myrcen. Weizen erzeugt zudem nicht nur eine geringere Anzahl anziehender Substanzen, sondern auch (Z)-3-Hexenylacetat, das Cuscuta stärker abstößt, als beta-Myrcen sie anzieht. Tatsächlich wächst die Pflanze sogar von (Z)-3-Hexenylacetat weg , findet den Weizen also insgesamt abstoßend.
Blätter mit Riecher
    Im Jahr 1983 veröffentlichten zwei Wissenschaftlerteams erstaunliche Erkenntnisse über die Kommunikation zwischen Pflanzen, die unser Denken über Pflanzen generell, von der Weide bis zur Limabohne, revolutionierten. Die Wissenschaftler behaupteten, Bäume würden einander vor drohenden Angriffen Blätter fressender Insekten warnen. Die Ergebnisse waren eindeutig, die Implikationen umwerfend. Die Kunde von der Neuentdeckung verbreitete sich auch bald bis in die Populärkultur hinein, wobei die Vorstellung von »sprechenden Bäumen« es nicht nur auf die Seiten von Science schaffte, sondern auch in große Zeitungen auf der ganzen Welt.
    David Rhoades und Gordon Orians, zwei Wissenschaftler von der University of Washington, hatten bemerkt, dass Mottenraupen sich mit geringerer Wahrscheinlichkeit über die Blätter von Weiden hermachten, wenn es in der Nachbarschaft weitere Weiden gab, die bereits von den Raupen befallen waren. Die gesunden Bäume nebenan waren gegen die Raupen resistent, weil – wie Rhoades entdeckte – ihre Blätter im Gegensatz zu denen der attackierten Nachbarn phenol- und tanninhaltige Stoffe enthielten, die den Raupen den Appetit verdarben. 22 Da die Wissenschaftler keine physischen Verbindungen zwischen den beschädigten Bäumen und ihren gesunden Nachbarn fanden – sie hatten keine gemeinsamen Wurzeln, und ihre Zweige berührten sich nicht – kam Rhoades zu der Auffassung, dass die angegriffenen Bäume mithilfe von Pheromonen den gesunden Bäumen Botschaften durch die Luft schicken müssen. Auf diese Weisesignalisierten die befallenen Bäume ihren gesunden Nachbarn: »Achtung! Verteidigt euch!«
    (6) Silberweide (Salix alba) .
    Nur drei Monate später veröffentlichten die Forscher Ian Baldwin und Jack Schultz aus Dartmouth einen bahnbrechenden Aufsatz, der

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