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Was Pflanzen wissen

Was Pflanzen wissen

Titel: Was Pflanzen wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Chamovitz
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den Bericht von Rhoades stützte. 23 Baldwin und Schultz hatten mit Rhoades in Verbindung gestanden und ihren Versuch so angelegt, dass er unter streng kontrollierten Bedingungen stattfand. Sie wollten also nicht wie Rhoades und Orians Bäume beobachten, die in der freien Natur wuchsen. Gegenstand ihrer Untersuchung waren etwa dreißig Zentimeter hohe Keimlinge von Pappeln und Zuckerahorn, die in luftdichten Kammern aus Plexiglas heranwuchsen. Für ihren Versuch nahmen sie zwei Kammern. Die erste enthielt zwei Populationen von Bäumen: 15, bei denen je zwei Blätter mittendurch gerissen waren, und 15 unversehrte. Die zweite Kammer enthielt Kontrollbäume, die alle unversehrt waren. Zwei Tage später enthielten die übrigen Blätter der verletzten Bäume höhere Konzentrationen mehrerer chemischer Stoffe, darunter toxische Phenol- und Tanninverbindungen, von denen bekannt ist, dass sie das Wachstum von Raupen hemmen. Die Bäume in der Kontrollkammer erhöhten keine dieser Verbindungen. Das wichtigste Ergebnis war jedoch, dass die Blätter der unversehrten Bäume, die in derselben Kammer wuchsen wie die beschädigten, ebenfalls erheblich vermehrte Phenol- und Tanninverbindungen aufwiesen. Baldwin und Schultz zogen daraus den Schluss, dass durch Zerreißen oder durch Raupenfraß verletzte Blätter ein gasförmiges Signal abgaben, das den beschädigten Bäumen ermöglichte, sich den unbeschädigten mitzuteilen. Das führte dazu, dass Letztere sich gegen einen unmittelbar drohenden Raupenangriff wehrten.
    (7) Silber- oder Weißpappel (Populus alba) .
    Diese frühen Berichte über Signale zwischen Pflanzen wurden von anderen Wissenschaftlern vielfach abgewertet: Es mangele ihnen an geeigneten Kontrollen, oder die Ergebnisse seien zwar korrekt, aber ihre Auswirkungen übertrieben dargestellt. 24 Gleichzeitig griffen die Tageszeitungen die Idee von den »sprechenden Bäumen« begeistert auf und vermenschlichten nach Kräften die Ergebnisse der Wissenschaftler. 25 Ob die Los Angeles Times , der Windsor Star in Kanada oder The Age in Australien – die Nachrichtenblätter überschlugen sich fast angesichts der sensationellen Entdeckung. Auf der Titelseite der Sarasota Herald-Tribune prangte die Schlagzeile: »Bäume sprechen und antworten einander, glauben Wissenschaftler«. Die New York Times widmete dem Thema am 7. Juni 1983 gar ihren Leitartikel.
    Im Laufe der letzten zehn Jahre wurde das Phänomen der pflanzlichen Kommunikation mittels Geruch wieder und wieder nachgewiesen, und zwar für eine große Anzahl von Pflanzen, wie etwa Gerste, Beifuß und Erlen. Baldwin, der bei der ursprünglichen Veröffentlichung seiner Entdeckung noch ein junger Chemiker frisch vom College war, hat inzwischen eine herausragende wissenschaftliche Karriere gemacht. *5
    Obwohl das Phänomen, dass Pflanzen von ihren Nachbarn mittels durch die Luft transportierter chemischer Signale beeinflusst werden, inzwischen als wissenschaftlich akzeptierte Tatsache gilt, bleibt die Frage: Kommunizieren Pflanzen im echten Sinne miteinander? Warnen sie einander zielgerichtet vor einer drohenden Gefahr? Oder belauschen die gesunden Pflanzen einfach einen Monolog der befallenen, der gar nicht darauf gerichtet ist, gehört zu werden? Wenn also eine Pflanze einen Duft an die Luft abgibt, ist das dann eine Art von Sprache, oder hat sie sozusagen nur Blähungen? Die Idee, dass eine Pflanze um Hilfe ruft oder ihre Nachbarn warnt, besitzt ja durchaus allegorischen und anthropomorphen Charme – aber spiegelt sie auch tatsächlich den ursprünglichen Zweck des Signals wider?
    Martin Heil und sein Team am Center for Research and Advanced Studies in Irapuato in Mexiko haben in den letzten Jahren wild wachsende Limabohnen (Phaseolus lunatus) erforscht, um dieser Frage weiter nachzugehen. 26 Heil wusste, dass eine Limabohne, an der Käfer fressen, auf zweifache Weise reagiert. Die Blätter, die von den Insekten gefressen werden, geben eine Mischung von flüchtigen chemischen Substanzen an die Luft ab, und die Blüten (die gar nicht direkt von den Käfern attackiert werden) produzieren einen Nektar, der Käfer vertilgende Gliederfüßer anzieht. *6 Zu Beginn seiner Berufslaufbahn hatte Heil ebenfalls am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena gearbeitet, an dem Baldwin Direktor war (und noch ist), und wie dieser fragte sich auch Heil, warum Limabohnen diese Stoffe absondern.
    Heil und seine Kollegen platzierten Pflanzen, die von Käfern attackiert worden waren,

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