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Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holm Friebe
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Erfassung und Darstellung realer Werte im Dezimalsystem mit beweglicher Nullstelle. Die indisch-arabischen Ziffern, die ein Hoch- und Runterskalieren zwischen den Zehnerpotenzen erlauben – und damit erstmals richtiges Rechnen –, kamen erst im Mittelalter nach Europa und setzten sich nur schleppend gegen die römischen Ziffern, ausgeschriebene Zahlwörter und das händische Abzählen durch (mehr dazu in Kapitel II). „Schon früh müssen sich rivalisierende Lager aus ‚Abakisten‘ mit ihren Rechenbrettern und Rechensteinen einerseits und ‚Algoristen‘ andererseits gebildet haben“, berichtet der Mathematikhistoriker Robert Kaplan von diesem Kulturkonflikt, der seit dem 12. Jahrhundert in Kaufmannsstuben und höheren Bildungsanstalten tobte.
    Während die einen also schon mittels der neuartigen Rechenoperationen, die das Dezimalsystem gestattete, scheinbar mühelos mit riesigen Summen jonglierten, schoben die anderen noch Kügelchen auf dem Zählbrett oder am Abakus hin und her. Dabei gelangten die fingerfertigen Abakisten zwar zunächst häufig schneller zum Ergebnis. Doch der Preis war eine mathematische Begrenzung ihres Horizonts, und am Ende siegte der Geist über den Körper. Kaplan schreibt: „Die stumme Sprache der praktischen Rechenfertigkeit mit Rechenbrett und Fingern trägt uns behände und ruhmreich an die äußersten Grenzen der Rechenkunst – aber man strandet mit ihr, sobald man die Grenze zur Algebra und aller Länder der Mathematik, die dahinter liegen, überschreitet.“ Wer dagegen mit Symbolen wie der 0 und den aus ihr hervorgegangenen Variablen wie a, b und x operierte, der konnte die Abstraktionsebenen der höheren Mathematik erklimmen. Auch wenn der Konflikt entschieden ist und wir heute alle zu den Algoristen gehören, sind wir doch tief in unserem Inneren Abakisten geblieben. Wir können mit abstrakten Zahlen umgehen , aber sie gehen uns nicht wirklich in Fleisch und Blut über.
    Wir haben zwar gelernt, mit Kommastellen zu rechnen und Minusbeträge zu multiplizieren. Wir können mit irrationalen Zahlen hantieren, und wer in der Schule Mathe-Leistungskurs hatte, kann womöglich noch eine binomische Formel auflösen. Wir haben sogar ein diffuses Gespür für Größenordnungen entwickelt, die wir niemals auf einem Haufen gesehen haben. Wir wissen, wie sich eineMillionenstadt anfühlt und dass es sich bei den 750 Milliarden Euro, die die Europäische Union im Mai 2010 als Rettungsschirm für das angeschlagene Finanzsystem aufspannte, um eine außergewöhnlich große Summe handeln muss.
    Dieser Gewöhnungseffekt kann erstaunliche Dimensionen annehmen, wie sich an unserem Verhältnis zur Million ablesen lässt. Früher schmissen Manager und Politiker mit ihr um sich, heute dagegen taucht die Million kaum noch in den Nachrichten auf. Es ist nur noch von Milliarden die Rede. „Was ist aus der Million geworden?“, fragte Max Fellmann Anfang 2010 im SZ-Magazin und erinnerte an eine Szene aus der Agentenkomödie Austin Powers : Der Bösewicht Dr. Evil, der 30 Jahre von der Bildfläche verschwunden war, meldet sich zurück und droht, die Welt zu vernichten. Seine Forderung von einer Million Dollar verursacht ungläubiges Gelächter bei den versammelten Staatschefs. Erst als er die Forderung auf 100 Milliarden Dollar erhöht, nimmt man ihn ernst.
    Zwar haben wir uns mit der Welt der sieben- bis zwölfstelligen Zahlen arrangiert, aber so richtig beheimatet fühlen wir uns dort, wo die Luft der Anschaulichkeit dünn wird, dennoch nicht. Für die allermeisten bleibt das mathematische Zahlenverhältnis wie eine Fremdsprache, die man zwar erlernen und beherrschen kann, aber niemals so flüssig spricht wie die Muttersprache. Deshalb unterlaufen uns in diesen Regionen auch häufiger Fehler und systematische Fehleinschätzungen. Das betrifft selbst Wirtschaftswissenschaftler, Finanzpolitiker und die wenigen Superreichen, von denen der Öl-Milliardär Paul Getty einmal sinngemäß gesagt hat: Wirklich reich ist man, wenn man sich in der Bilanz um einige Millionen Dollar verhauen kann und es nicht auffällt.
    Thomas Druyen ist einer der wenigen Soziologen, die sich nicht mit Armut und ihren gesellschaftlichen Folgen, sondern mit Reichtum beschäftigen. Seit Jahren beforscht er die Superreichen, „Ultra High Net Worth Individuals“, wie sie von Privatbanken genannt werden, also Menschen mit einem Vermögen von über 30 Millionen Dollar, selbst bewohnte Immobilien nicht eingerechnet. Nach Druyens

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