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Wasdunkelbleibt

Wasdunkelbleibt

Titel: Wasdunkelbleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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das Gespräch mit seinem Vorgesetzten gegangen. Er hatte seine Argumente fein aufeinander abgestimmt vorgetragen. Woncka fehlte vermutlich das Geld. Schlimmer sogar: Er war ein Bürokrat. Einer, dem außer den dringend benötigten finanziellen Mitteln vor allem die Vorstellungskraft fehlte. Die Attacken auf das Internet in Estland 2007 und ein Jahr später in Georgien tat er ab als hitzköpfige Strohfeuer, die in unkultivierten Staaten jenseits der Oder vorkamen.
    »Hätte noch gefehlt, dass er ›Ostfront‹ sagt«, murmelte Nero. Er schleppte sich einen Stock tiefer zum Getränkeautomaten und zog eine Flasche Adelholzener. Durstig trank er die Hälfte in einem Zug aus. Wir können die Sache nicht dem Militär überlassen. Das hätte er zu Woncka sagen sollen. Und den Diensten auch nicht. Wir müssen selbst ganz vorne mitmischen, um Bescheid zu wissen, wenn es hart auf hart kommt. Sonst degradiert sich die Polizei selbst zum Hilfssheriff. Damit hätte er wenigstens eine Kerbe in Wonckas Hirn hinterlassen. Der reagierte schnell eifersüchtig, wenn die Kompetenzen der Polizei in Frage gestellt wurden. Dabei sah es mittlerweile so aus, als würden einflussreiche Schnittstellen im Land das Schicksal der Polizei in eine Richtung lenken, die niemandem, der aus Idealismus Polizist geworden war, gleichgültig sein konnte. Irgendwann würden sie allenfalls noch den Verkehr regeln dürfen. Auf den Radwegen.
    Sinnlos, dachte Nero, und ging in sein Büro zurück. Er teilte es mit Freiflug und zur Zeit fünf Rechnern.
    »Wie war’s?« Neugierig hob Markus Freiflug den Kopf. Er sah aus wie ein Linker, mit dem Pferdeschwanz und der Nickelbrille, war aber im Herzen ein echter Bajuware mit konservativen Auffassungen.
    »Mist war’s.« Nero stemmte die Ellenbogen auf seinen Tisch und verbarg den Kopf in den Händen.
    »Er hat abgelehnt«, stellte Freiflug fest. »Schade. Tut mir echt leid, Nero.«
    Nero hatte sein Leben lang trainiert, der Schwäche nicht nachzugeben. Wahrscheinlich waren seine Kräfte seit jenem Tag am Schwinden, als Leonor in seinen Armen gestorben war. Den Schock, seine eigene Frau nicht vor wild um sich feuernden Kriminellen beschützen zu können, hatte er nie verwunden. Die Therapie und schließlich seine Freunde hatten dafür gesorgt, dass er wieder normal leben konnte. Arbeiten. Lieben. Kea.
    Nero trank die Wasserflasche leer.
    »Da liegen ein paar Ausdrucke für dich«, sagte Freiflug. »Kröger hat sie vorhin hier abgelegt.«
    Nero fühlte nichts als eine bleierne Gleichgültigkeit. Er blätterte in den Seiten. Las Stichwörter wie ›Cyberkrieg‹ und ›fehlende Rechtsgrundlagen‹. Ihm war alles egal.
    »Ich geh pinkeln.« Er musste raus. Im Waschraum zog er den Pullover aus und ließ kaltes Wasser über seine Arme laufen. Er bekam Angst, der Kreislauf würde ihm wegbrechen. Er wollte hier raus. Wollte nach Hause. Doch da gab es bloß eine Wohnung, die kein Zuhause war, weil er sie alleine bewohnte, was kein Leben bedeutete. Es war nur eine vorübergehende Bleibe. Kea lebte draußen bei Ohlkirchen, da war er zur Stoßzeit fast eine Stunde unterwegs, um hinzukommen, aber er sehnte sich jetzt nach ihr und wollte sie anrufen. Er könnte einfach aus dem Haus gehen, den Tag sausen lassen. Morgen war Samstag. Sein Überstundenkonto war prall gefüllt.
    Nero hatte immer noch Durst. Er trank Wasser vom Hahn. Es schmeckte nach Chlor. Sein Gesicht glühte.
    Er hatte keine Ahnung, ob er eine einstündige Autofahrt schaffen würde.
     
     

8
    Mit Feuereifer vertiefte sich Dv 0 ttny in den Auftrag von nbn6. Zunächst beschaffte er sich öffentlich zugängliche Informationen über das Fitnessstudio und seine Betreiber. Es handelte sich um eine Kette, eine Art Discounter mit Ablegern in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Luxemburg. Wer Mitglied wurde, konnte in sämtlichen Studios trainieren. Dv 0 ttny fand bald heraus, dass die Website des Fitnessstudios ausgelagert war und von einem externen ISP gehostet wurde. Eine kluge Vorgehensweise, um zu verhindern, dass ungebetene Besucher, die es schaffen würden, die Website zu knacken, zugleich einen Zugriff auf das Firmennetz insgesamt bekamen.
    Zunächst arbeitete er knappe zwei Wochen lang daran, eine Möglichkeit zu eruieren, von dem Netzwerk als vertrauenswürdig eingestuft zu werden. Mit jedem Schritt, den er in die feinen Stränge der Netzwerkkonstruktion machte, legte er die Gedanken derjenigen frei, die es gebaut hatten. Dv 0 ttny fühlte sich mächtig.

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