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Wasdunkelbleibt

Wasdunkelbleibt

Titel: Wasdunkelbleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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aus einer schier unübersehbaren Menge an Programmzeilen. Dort schlichen sich logischerweise Schwachstellen ein. rekinom hatte gewartet, bis sie das System neu installierte. In der Zeit, in der sich alles auf den Standardeinstellungen befand, schlug er zu. Dass Kea Laverde mehr als 14 Tage ihre Settings nicht individualisierte, machte es ihm leicht. Er hackte ihr E-Mail-Konto, indem er als Passwort einfach ihr Geburtsdatum eintrug. Er hatte es über eine simple Suchanfrage an ihrer ehemaligen Uni entdeckt. Sie erwähnte in ihrem Webauftritt, dass sie an der LMU studiert hatte. Im dortigen Studentensekretariat stand irgendwo ein alter Rechner unbemerkt herum, der immer noch eine Netzwerkverbindung hatte, aber längst nicht mehr aktualisiert wurde.
    rekinom blieb auf Keas System: Er war ihr Administrator-Double. Stets konnte er ihr über die Schulter schauen, wenn sie am Rechner arbeitete. Er las ihre Texte, ihre Mails und verfolgte, welche Musik sie kopierte und welche Bücher sie im Internet bestellte. Er hätte auf ihre Kosten einkaufen können. Darum ging es ihm natürlich nicht. Er wollte die volle Kontrolle. Als sie ihr Mail-Passwort endlich änderte, war er fast erleichtert, doch er hatte Vorkehrungen getroffen.
    Ganz so leicht ging es bei Dv 0 ttny nicht.
    Dv 0 ttny war sehr wachsam. Seine Tatzen hinterließen nicht den feinsten Abdruck im Netz. Irgendwie schaffte rekinom es, einen Trojaner in Dv 0 ttnys Rechner zu schmuggeln, der unter dem Radar der Antivirensoftware arbeitete. Er besorgte sich einfach ein legales Tool, wie Netzwerkadministratoren es verwenden, veränderte es und schleuste es in Dv 0 ttnys Rechner. Die Rechnung ging auf. Bastian Hut war zwar umsichtig im Verschleiern seiner Wege im Cyberspace, aber er verließ sich auf eine ganz normale, kommerzielle Anti-Viren-Software. Er ist eben noch jung, dachte rekinom, und spürte, wie ihn eine ungeheure Befriedigung erfüllte. Eine, die Sex ihm nicht geben konnte. Er, rekinom, hatte den Beweis erbracht, dass Jugend allein kein Abo auf Klugheit darstellte. Dv 0 ttny mochte genial sein, aber er war noch ein richtiges Kind.
    Der Trojaner verriet rekinom, welche Verbindungen zu anderen Netzwerken Dv 0 ttny aufbaute und welche Computersysteme er gerade benutzte. Und vor allem: Dv 0 ttny fand den Trojaner nicht. Was er sah, befriedigte rekinom. Er hatte alles richtig eingefädelt.
     
     

10
    Dv 0 ttny systematisierte seine Erkenntnisse, die er beim Hacking gewann, nicht bewusst. Meistens ging er einfach so vor, dass er sich in das Gehirn eines Netzwerkarchitekten hineindachte. Er versuchte sich vorzustellen, womit die Gegenseite rechnete. Programmierer zogen ihre Netzwerke immer in der gleichen Weise auf. Was einmal funktionierte hatte, galt als sicher und praktikabel. Warum sollte man sich neue Strategien ausdenken? Der Hacker musste also nur selbst andere Pfade einschlagen.
    Dv 0 ttny fühlte sich unerwartet mies mit seinen 3000 Euro. Es kam ihm vor, als habe er seine Seele verkauft. Was nbn6 mit den Daten aus dem Fitnessstudio anfing, verdrängte er. Vermutlich ging es darum, Leute für Werbeaktionen auszugucken und gezielt mit Mails zu bombardieren. Ihm war es egal. Er beschloss, künftig ausschließlich in seinem eigenen Auftrag zu handeln.
    Den Chatroom, wo nbn6 ihm über den Weg gelaufen war, suchte er nicht mehr auf. Er fing an, über andere Wege mit Hackern zusammenzukommen. Leuten, die das Internet als faszinierenden Kosmos betrachteten und sich daran maßen, wie weit sie dieses Universum mit ihrem Verstand durchdringen konnten. Wie für Dv 0 ttny bedeutete diesen Hackern ein Rechner mehr als nur ein High-Tech-Gerät. Der Computer führte sie in ihr Inneres. Er zeigte ihnen Möglichkeiten, ein paralleles Leben zu führen und mehr über die unsichtbaren Dinge um sie herum herauszufinden. Dv 0 ttny erkannte, dass viel auf die Perspektive ankam: Je nach dem, welche Sichtweise man einnahm, entging einem der Kern der Dinge oder man stieß in wenigen Schritten zum Eigentlichen vor. Nicht nur Netzwerke waren programmiert, sondern auch Menschen. Manche, und zu ihnen zählten IT-Freaks genauso wie Bastians Eltern, betrachteten sich und ihr Leben immer nur aus einem Blickwinkel und schossen sich auf eine Denkweise ein, die neue Erkenntnisse von vornherein ausschloss. So kam es, dass die Mehrzahl der Leute Murphys Gesetz bemühten, um Dinge zu erklären, die ganz logische Konsequenzen aus vorherigen Entscheidungen waren. Nur war niemand auf die Idee

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