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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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hechte hinein.
    Ich rutsche mit dem Gesicht über den holpernden Boden. Als ich
merke, dass ich in Sicherheit bin, sehe ich mich nach Walter um und stelle mich
auf einen Kampf ein.
    Doch Walter hockt weinend in einer Ecke.
    Walter ist untröstlich. Er bleibt in seiner Ecke, während ich
die Truhen von der Wand ziehe und Camel hervorhole. Es gelingt mir, den alten
Mann alleine zu rasieren – normalerweise nimmt diese Aufgabe uns alle drei in
Anspruch – und ihn dann in den Bereich vor den Pferdeboxen zu ziehen.
    »Ach, komm schon, Walter«, sagt Camel. Ich halte ihn unter den
Achseln gepackt, sein nacktes Hinterteil hängt über dem – wie Walter ihn nennt
– Honigeimer. »Du hast getan, was du konntest.« Er wirft mir einen Blick über
die Schulter zu. »He, lass mich ein bisschen runter, ja? Ich schaukel hier
sonst im Durchzug.«
    Ich stelle die Füße weiter auseinander, um Camel etwas niedriger und
gleichzeitig meinen Rücken gerade zu halten. Normalerweise übernimmt Walter
diesen Teil, weil er die richtige Größe hat.
    »Walter, ich könnte gut etwas Hilfe gebrauchen«, sage ich, während
ein Krampf meinen Rücken durchzuckt.
    »Schnauze«, sagt er.
    Wieder sieht Camel zu mir hoch, diesmal mit hochgezogener
Augenbraue.
    »Schon okay«, sage ich.
    »Nein, es ist nicht okay«, ruft Walter aus der Ecke. »Nichts ist
okay! Queenie war alles, was ich hatte. Geht das in deinen Kopf?« Seine Stimme
erstirbt zu einem Wimmern. »Sie war alles, was ich hatte.«
    Camel bedeutet mir mit einer Handbewegung, dass er fertig ist. Ich
schlurfe ein Stückchen weg und lege ihn auf die Seite.
    »Das kann doch nicht wahr sein«, sagt Camel, während ich ihn sauber
mache. »Ein junger Bursche wie du hat doch irgendwo wen.«
    »Du hast doch keine Ahnung.«
    »Hast du nicht irgendwo eine Mutter?«, hakt Camel nach.
    »Keine, mit der ich was anfangen könnte.«
    »So redet man aber nicht«, meint Camel.
    »Warum zum Teufel nicht? Sie hat mich an diesen Laden verkauft, da
war ich vierzehn.« Er schielt zu uns herüber. »Und guckt mich nicht so
mitleidig an«, blafft er. »Sie war sowieso eine blöde Kuh. Wer braucht die
schon.«
    »Was meinst du mit ›verkauft‹?«, fragt Camel.
    »Na, für Farmarbeit bin ich nicht gerade wie geschaffen, oder? Lasst
mich doch einfach in Ruhe.« Er schiebt sich herum, sodass er uns den Rücken
zudreht.
    Ich mache Camels Hose zu, packe ihn unter den Armen und wuchte ihn
zurück ins Kabuff. Die Beine hängen schlaff herab, seine Absätze schaben über
den Boden.
    »Herrje«, sagt er, als ich ihn auf die Pritsche bette. »Was für eine
Geschichte, hm?«
    »Hast du schon Hunger?«, frage ich, um das Thema zu wechseln.
    »Nee, noch nicht. Aber ein Tröpfchen Whiskey wär hochwillkommen.« Er
schüttelt traurig den Kopf. »Ich hab noch nie von einer so kaltherzigen Frau
gehört.«
    »Ich kann euch gut hören, wisst ihr«, schnauzt Walter. »Und außerdem
hast du dazu gar nichts zu sagen, Alter. Wann hast du denn das letzte Mal
deinen Sohn gesehen?«
    Camel wird blass.
    »Hm? Darauf hast du keine Antwort, was?«, fährt Walter draußen fort.
»So groß ist der Unterschied nicht zwischen dem, was du gemacht hast, und dem,
was meine Mutter gemacht hat, oder?«
    »Doch, wohl«, brüllt Camel. »Ein Riesenunterschied. Und woher willst
du verdammt noch mal überhaupt wissen, was ich gemacht hab?«
    »Du hast einmal nachts von deinem Sohn erzählt, als du blau warst«,
sage ich leise.
    Camel starrt mich einen Moment lang an. Dann verzieht er das
Gesicht. Er hebt eine kraftlose Hand an die Stirn und wendet sich von mir ab.
»Scheiße«, sagt er. »Oh Scheiße. Ich wusste nicht, dass ihr es wisst. Das
hättet ihr mir sagen sollen.«
    »Ich dachte, du erinnerst dich daran«, antworte ich. »Außerdem hat
er nicht viel gesagt. Er hat nur gesagt, du bist weggegangen.«
    »›Nur gesagt‹?« Camels Kopf fährt herum. »›Nur gesagt‹? Was zum
Teufel heißt das? Habt ihr mit ihm gesprochen?«
    Ich rutsche an der Wand zu Boden und lege den Kopf auf die Knie. Das
sieht nach einer langen Nacht aus.
    »Was meinst du mit ›nur gesagt‹?«, kreischt Camel. »Ich hab dich was
gefragt!«
    Ich seufze. »Ja, wir haben mit ihm gesprochen.«
    »Wann?«
    »Vor einer Weile.«
    Er starrt mich verblüfft an. »Warum denn?«
    »Wir treffen uns in Providence. Er nimmt dich mit nach Hause.«
    »Oh, nein.« Camel schüttelt vehement den Kopf. »Nein, ganz bestimmt
nicht.«
    »Camel …«
    »Warum habt ihr das nur gemacht? Dazu

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