Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
Vom Netzwerk:
hattet ihr kein Recht!«
    »Wir hatten doch keine Wahl!«, schreie ich. Ich bremse mich,
schließe die Augen und beruhige mich. »Wir hatten keine Wahl«, wiederhole ich.
»Wir mussten etwas tun.«
    »Ich kann da nicht hin zurück! Du weißt ja nicht, was passiert ist.
Die wollen mich nicht mehr.«
    Seine Lippen zittern, und er macht den Mund zu. Er dreht den Kopf
weg, und dann fangen seine Schultern an zu beben.
    »Verdammt.« Durch die offene Tür rufe ich laut: »He, danke, Walter!
Du warst echt eine große Hilfe! Wirklich prima gemacht!«
    »Verpiss dich!«, lautet seine Antwort.
    Ich lösche die Kerosinlampe und krabble hinüber zu meiner
Pferdedecke. Nachdem ich mich kurz auf das kratzige Material gelegt habe, setze
ich mich auf.
    »Walter!«, rufe ich. »He, Walter! Wenn du nicht zurückkommst, nehme
ich die Schlafmatte.«
    Keine Antwort.
    »Hast du gehört? Ich habe gesagt, ich nehme die Schlafmatte.«
    Ich warte ein, zwei Minuten, dann krieche ich durchs Zimmer.
    Von Walter und Camel kommen die ganze Nacht über Laute, wie Männer
sie machen, die nicht weinen wollen, und ich drücke mir die ganze Nacht über
das Kissen auf die Ohren, weil ich die beiden nicht hören will.
    Marlenas Stimme weckt mich.
    »Klopf, klopf. Darf ich reinkommen?«
    Ich öffne schlagartig die Augen. Der Zug hat angehalten, und ich
habe es geschafft, das zu verschlafen. Außerdem bin ich erschrocken, weil ich
von Marlena geträumt habe und einen Augenblick lang nicht sicher bin, ob ich
richtig wach bin.
    »Hallo? Jemand zu Hause?«
    Ich stütze mich auf einen Ellbogen und sehe zu Camel. Er liegt auf
der Pritsche, die Augen angstgeweitet. Die Innentür hat die ganze Nacht offen
gestanden. Ich springe auf.
    »Einen Moment!« Als ich ihr entgegeneile, schließe ich die Tür
hinter mir.
    Sie steigt schon in den Wagen. »Ach, hallo«, begrüßt sie Walter. Er
kauert immer noch in seiner Ecke. »Eigentlich habe ich Sie gesucht. Gehört der
Hund nicht Ihnen?«
    Walter fährt herum. »Queenie!«
    Marlena bückt sich, um sie abzusetzen, aber Queenie strampelt sich
schon vorher frei und plumpst zu Boden. Sie krabbelt zu Walter, springt ihm auf
den Schoß, leckt ihm das Gesicht ab und wedelt so heftig mit dem Schwanz, dass
sie hintenüber fällt.
    »Oh, Queenie! Wo warst du nur, du böses, böses Mädchen? Ich habe mir
solche Sorgen gemacht, du böses Mädchen!« Walter lässt sich Gesicht und Kopf
von ihr ablecken, und Queenie strampelt und wackelt vor Freude.
    »Wo war sie?«, frage ich Marlena.
    »Sie ist neben dem Zug hergelaufen, als wir gestern losgefahren
sind«, sagt sie, den Blick auf Walter und Queenie gerichtet. »Ich habe sie
durchs Fenster gesehen und Auggie rausgeschickt. Er hat sich auf die Plattform
gelegt und sie eingesammelt.«
    »Das hat August gemacht?«, frage ich. »Wirklich?«
    »Ja. Und zum Dank hat sie ihn gebissen.«
    Walter umschlingt seine Hündin mit beiden Armen und vergräbt das
Gesicht in ihrem Fell. Marlena beobachtet die beiden noch einen Moment lang,
bevor sie sich zur Tür dreht. »Na, dann gehe ich mal wieder.«
    »Marlena.« Ich strecke die Hand nach ihrem Arm aus.
    Sie bleibt stehen.
    »Danke«, sage ich und lasse die Hand sinken. »Du weißt nicht, was
ihm das bedeutet. Uns beiden, ehrlich gesagt.«
    Sie wirft mir einen kurzen Blick zu, mit einem leicht angedeuteten
Lächeln, und sieht dann auf ihre Pferde. »Doch. Doch, ich glaube schon.«
    Mir stehen Tränen in den Augen, als sie aus dem Wagen klettert.
    »Was sagt man dazu«, meint Camel. »Vielleicht hat er ja doch was
Menschliches an sich.«
    »Wer? August?«, fragt Walter. Er beugt sich vor, packt den Griff
einer Truhe und zieht sie über den Boden. Wir bringen das Zimmer in Tagesform,
wobei Walter allerdings alles in halber Geschwindigkeit tut, weil er Queenie
unbedingt im Arm halten muss. »Niemals.«
    »Du kannst sie loslassen«, sage ich. »Die Tür ist zu.«
    »Er hat deinen Hund gerettet«, wirft Camel ein.
    »Das hätte er nicht gemacht, wenn er gewusst hätte, dass sie mir
gehört. Queenie weiß das. Deshalb hat sie ihn gebissen. Ja, das wusstest du,
nicht, meine Kleine?« Er zieht ihre Schnauze an sein Gesicht und verfällt in
Babysprache. »Ja, Queenie ist ein schlaues Mädchen.«
    »Warum glaubst du, er wusste das nicht?«, frage ich. »Marlena wusste
es.«
    »Ich weiß es einfach. Dem alten Shylock ist Menschlichkeit völlig
fremd.«
    »Pass bloß auf, was du sagt«, schreie ich ihn an.
    Walter hält inne. »Was? Du bist doch kein Jude,

Weitere Kostenlose Bücher