Watersong - Sternenlied (German Edition)
tragisch gewesen, wenn sie nicht um elf Uhr Zapfenstreich gehabt hätte. Sie hatte keine Lust, den Sommer zusätzlich zu dem kaputten Wagen auch noch mit Hausarrest zu beginnen. Heute Abend musste sie aufs Schwimmen verzichten.
Sie stieg aus dem Auto. Frustriert versuchte sie, die Tür zuzuknallen, aber sie ächzte nur in den Angeln. Ein großes Stück Rost fiel auf den Boden.
» Die dreihundert Dollar hätte ich auch verbrennen können « , murmelte Gemma halblaut.
» Autoprobleme? « , fragte Alex hinter ihr und erschreckte sie so sehr, dass sie beinahe aufgeschrien hätte. » Entschuldige. Ich wollte dir keine Angst machen. «
» Ist schon okay « , winkte Gemma ab und drehte sich zu ihm um. » Ich habe dich nicht rauskommen hören. «
Alex wohnte schon seit zehn Jahren im Nachbarhaus und er war wirklich nicht besonders Furcht einflößend. Seit seiner Pubertät versuchte er jeden Tag, sein widerspenstiges Haar zu glätten, aber eine bestimmte Locke über seiner Stirn weigerte sich immer glatt zu liegen und fiel ihm ungezähmt ins Gesicht. Dadurch wirkte er jünger als achtzehn, und wenn er lächelte, sah er noch jünger aus.
Er hatte etwas Unschuldiges an sich und deshalb hatte Harper sich wahrscheinlich auch nie in ihn verknallt.
Sogar Gemma hatte ihn bis vor Kurzem nicht als attraktiv empfunden. Aber irgendwann war ihr aufgefallen, dass er sich verändert hatte. Sein schlaksiger Oberkörper war breiter geworden, seine Arme muskulös.
Diese neue Männlichkeit, in die Alex allmählich hineinwuchs, sorgte dafür, dass jetzt Schmetterlinge in ihrem Bauch aufstiegen, wenn er sie anlächelte.
» Dieses Stück Schrott will nicht anspringen. « Gemma zeigte auf den rostigen Kleinwagen und ging zu Alex, der in seinem Vorgarten stand. » Ich hab den Wagen erst vor drei Monaten gekauft und jetzt ist er schon hinüber. «
» Das tut mir leid « , sagte Alex. » Brauchst du Hilfe? «
» Kennst du dich mit Autos aus? « Gemma zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Ihres Wissens verbrachte er seine freie Zeit am Computer oder mit der Nase in einem Buch, aber unter einer Motorhaube hatte sie ihn noch nie werkeln sehen.
Alex lächelte verlegen und senkte den Blick. Er hatte eine natürlich gebräunte Haut, was es ihm leichter machte, seine Verlegenheit zu verbergen, aber Gemma kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er sehr oft errötete.
» Nein « , gestand er und lachte ein bisschen. Dann deutete er auf seine Einfahrt, in der ein blauer Ford Cougar stand. » Aber ich habe eins. «
Er zog die Schlüssel aus der Tasche und ließ sie um den Finger kreisen. Einen Moment lang wirkte er sehr lässig, aber dann rutschte ihm der Schlüsselbund ab und traf ihn am Kinn. Gemma unterdrückte ein Kichern, als er sich eilig danach bückte.
» Alles okay? «
» Äh, ja, alles klar. « Achselzuckend rieb er sich das Kinn. » Soll ich dich fahren? «
» Bist du sicher? Es ist schon ziemlich spät und ich will dich nicht nerven. «
» Ach was, kein Problem. « Er machte einen Schritt auf sein Auto zu und wartete darauf, dass Gemma ihm folgte. » Wo willst du denn hin? «
» Nur zur Bucht. «
» Ich hab’s geahnt « , grinste er. » Dein allabendlicher Schwimmausflug? «
» Ich schwimme nicht jeden Abend « , protestierte Gemma, obwohl sie nur ausnahmsweise mal darauf verzichtete.
» Na dann los. « Alex ging zu dem Cougar und öffnete die Beifahrertür. » Steig ein. «
» Na gut, wenn du darauf bestehst … «
Gemma fiel nur ungern anderen Leuten zur Last, aber sie wollte heute Abend unbedingt noch schwimmen. Und gegen eine Spritztour allein mit Alex hatte sie auch nichts einzuwenden. Normalerweise verbrachte sie nur Zeit mit ihm, wenn er ihre Schwester besuchte.
» Was fasziniert dich eigentlich so daran, nachts zu schwimmen? « , fragte Alex, als sie eingestiegen war.
» Ich weiß nicht, ob Faszination das richtige Wort ist. « Gemma schnallte sich an und lehnte sich dann bequem zurück. » Ich weiß nicht genau, wie ich es beschreiben soll. Es ist einfach … unvergleichlich. «
» Inwiefern? « , fragte Alex. Er hatte den Motor angelassen, blieb aber in der Einfahrt stehen und betrachtete Gemma interessiert.
» Tagsüber sind so viele Leute in der Bucht, vor allem im Sommer, aber nachts … bin ich mit dem Wasser und den Sternen allein. Und weil es dunkel ist, fühlt sich alles wie eine große Einheit an, und ich bin ein Teil davon. « Sie runzelte die Stirn und lächelte verträumt.
» Faszination ist
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