Waylander
gemacht, Dardalion. Ich rettete dein Leben. Zweimal! Du schuldest mir mein Recht auf Alleinsein.«
»Um zuzulassen, daß du wieder zu dem Mann wirst, der du warst? Ich glaube nicht. Sieh dich doch an. Dein halbes Leben vergeudet. Du hast eine große Tragödie erlitten - und bist daran zerbrochen. Du wolltest sterben, aber statt dessen hast du nur einen Teil deiner selbst getötet. Armer Da-keyras, verloren für zwei Jahrzehnte, in denen Way-lander durch die Welt zog und für Gold tötete, das er nie ausgab. All die Seelen, die du in die Leere geschickt hast. Und wofür? Um einen Schmerz zu lindern, den du nicht berühren konntest.«
»Wie kannst du es wagen, mir eine Predigt zu halten!« rief Waylander. »Du sprichst von Spiegeln? Sag mir, was aus dir geworden ist, seit du zwei Männer getötet hast.«
»Sechs Männer. Und es werden noch mehr«, erwiderte Dardalion. »Ja, deswegen verstehe ich dich. Vielleicht ist alles falsch, was ich tue, aber ich werde vor meinem Gott stehen und sagen, daß ich tat, was ich für richtig hielt - daß ich die Schwachen gegen die starken Bösen verteidigte. Du hast mich das gelehrt. Nicht Waylander, der Mann, der für Geld tötet, sondern Dakeyras, der Mann, der den Priester rettete.«
»Ich will nicht mehr reden«, sagte Waylander und wandte sich ab.
»Wußte Orien, daß du seinen Sohn getötet hast?«
Der Meuchelmörder fuhr herum. »Ja, er wußte es. Es war meine übelste Tat. Aber ich werde dafür bezahlen, Priester. Orien hat dafür gesorgt. Weißt du, ich habe immer gedacht, daß Haß die stärkste Kraft auf Erden ist. Aber letzte Nacht habe ich etwas Bitteres gelernt. Er vergab mir . und das ist schlimmer als heiße Eisen in meinem Fleisch. Verstehst du?«
»Ich glaube schon.«
»Also werde ich für ihn sterben, und das wird meine Schuld tilgen.«
»Dein Tod wird gar nichts tilgen. Worum hat er dich gebeten?«
»Seine Rüstung zu holen.«
»Von Raboas, dem Heiligen Riesen.«
»Er hat es dir erzählt?«
»Ja. Er hat mir auch gesagt, daß ein Mann namens Kaem demselben Schatz hinterherjagt.«
»Kaem jagt mich. Aber er würde gut daran tun, mich nicht zu finden.«
Kaem hatte beunruhigende Träume. Der vagrische General hatte ein schönes Haus requiriert, das den Hafen von Purdol überblickte, und Wachen patrouillierten im Garten, während die beiden Soldaten, denen er am meisten vertraute, vor seiner Tür standen. Das Fenster war barrikadiert, so daß die Hitze in dem kleinen Raum drückend war.
Er erwachte mit einem Ruck, setzte sich auf und tastete nach seinem Schwert. Die Tür ging auf, und Dalnor stürzte mit gezücktem Schwert herein.
»Was ist los, Herr?«
»Nichts. Ein Traum. Habe ich gerufen?«
»Ja, Herr. Soll ich hierbleiben?«
»Nein.« Kaem nahm ein Leinentuch von dem Stuhl neben seinem Bett und wischte sich damit den Schweiß von Stirn und Gesicht. »Verdammter, Waylander«, flüsterte er.
»Herr?«
»Nichts. Laß mich wieder allein.« Kaem schwang die Beine aus dem Bett und ging zum Fenster. Er war dünn und völlig haarlos. Seine faltige Haut gab ihm das Aussehen einer gestrandeten Schildkröte, der man den Panzer weggenommen hatte. Viele hielten ihn beim ersten Anblick für komisch, aber die meisten lernten, ihn als das zu sehen, was er war: der beste Stratege seiner Zeit, der Mann, dem man den Titel Kriegsfürst verliehen hatte. Seine Soldaten respektierten ihn, wenn auch nicht mit der Bewunderung, die sie für einige andere Männer mit mehr Charisma übrig hatten. Aber das paßte ihm, denn Gefühle bereiteten ihm Unbehagen, und ihre Zurschaustellung unter Männern fand er kindisch und dumm. Was er wollte, war Gehorsam von seinen Offizieren und Mut von seinen Männern. Er erwartete beides. Er verlangte beides.
Jetzt wurde sein eigener Mut auf die Probe gestellt. Waylander hatte seinen Sohn getötet, und Kaem hatte geschworen, daß der Meuchelmörder dafür den Tod finden sollte. Aber Waylander war ein gewiefter Jäger, und Kaem war sicher, daß er eines Nachts wieder mit einem Messer an der Kehle erwachen würde.
Oder schlimmer ... vielleicht wachte er überhaupt nicht mehr auf. Die Bruderschaft jagte den Mörder, aber die ersten Berichte waren nicht ermutigend. Ein Verfolger war tot, und jetzt war unter der Bruderschaft die Rede von einem mystischen Kriegerpriester, der mit dem Meuchelmörder reiste.
Trotz all seiner strategischen Fähigkeiten war Kaem ein vorsichtiger Mann. Solange Waylander lebte, stellte er eine Bedrohung für Kaems
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