Waylander
Wann brechen wir auf?«
»Wir haben nur auf dich gewartet, mein Freund. Sechs Tage bis Gulgothir, dann den Fluß entlang nach Osten und Norden. Sagen wir drei Wochen. Dann Raboas und deine Rüstung. Klingt ganz einfach, was?«
»So einfach, wie eine Schlange zu melken. Hast du gehört, daß Cadoras in Skultik ist?«
Durmast riß die Augen in gespielter Überraschung auf. »Nein!«
»Er ist auf der Jagd nach mir, wurde mir erzählt.«
»Hoffen wir, daß er dich nicht findet.«
»Um seinetwillen«, sagte Waylander. »Wie viele Männer hast du?«
»Zwanzig. Gute Männer. Zäh.«
»Gute Männer?«
»Nun ja, genaugenommen Abschaum. Aber sie können kämpfen. Möchtest du ein paar von ihnen kennenlernen?«
»Nein, danke, ich habe gerade gegessen. Wie viele Leute bringst du dorthin?«
»Hundertundsechzig. Sind ein paar hübsche Frauen darunter, Waylander. Es sollten ein paar vergnügliche Tage werden.«
Waylander nickte und sah sich im Lager um. Sie alle liefen davon, aber ihm taten die Familien leid, die gezwungen waren, einem Mann wie Durmast zu trauen. Die meisten von ihnen würden mit dem Leben davonkommen, aber sie würden Gulgothir bettelarm erreichen.
Er ließ seinen Blick zu den baumgesäumten Hügeln im Süden wandern. Ein Lichtblitz fesselte seine Aufmerksamkeit, und er starrte eine Weile auf die fernen Hänge.
»Was ist los?« fragte Durmast.
»Vielleicht nichts. Vielleicht nur ein Sonnenstrahl auf einem Stück Quarz.«
»Aber du glaubst, es ist Cadoras?«
»Wer weiß?« erwiderte Waylander. Er nahm sein Pferd am Zügel und führte es ein Stück weg von den Fuhrwerken. Dann ließ er sich im Schatten einer ausladenden Kiefer nieder.
Hoch in den Bergen steckte Cadoras das lange Glas wieder in seinen ledernen Behälter und setzte sich erneut auf einen umgestürzten Baum. Er war groß und dünn, mit schwarzem Haar und eckigen Zügen. Eine Narbe lief von seiner Stirn über die Lippen bis zum Kinn, was ihm ein spöttisches Teufelsgrinsen verlieh. Die Augen waren wolkengrau und kalt wie Winternebel. Er trug ein schwarzes Kettenhemd, dunkle Beinkleider und Reitstiefel, an seiner Hüfte hingen zwei Kurzschwerter.
Cadoras wartete eine Stunde lang, beobachtete, wie die Ochsen vor die Fuhrwerke gespannt wurden und sich dann zu einer nach Norden weisenden Reihe aufstellten. Durmast ritt am Kopf der Kolonne und führte den Weg zu den Bergen und dem Delnoch-Paß. Waylander ritt am Schluß.
Ein Geräusch hinter ihm ließ Cadoras herumfahren. Ein junger Mann trat aus dem Gebüsch. Er blinzelte vor Erstaunen, als er das Messer in Cado-ras' erhobener Hand sah.
»Er ist nicht gekommen«, sagte der Mann. »Wir haben an der Stelle gewartet, die du uns genannt hast, aber er ist nicht gekommen.«
»Doch - aber er hat einen Bogen um euch gemacht.«
»Vulvin fehlt. Ich habe Macas losgeschickt, ihn zu suchen.«
»Er wird seinen Leichnam finden«, sagte Cado-ras.
»Wie kannst du da sicher sein?«
»Weil ich seinen Tod wollte«, antwortete Cado-ras, ging ein paar Schritte und starrte den Fuhrwerken nach. Bei den Göttern, warum mußten sie ihm solche Narren geben? Bürokraten! Natürlich war Vulvin tot. Er hatte den Befehl gehabt, die Hütte von Hewla zu beobachten, aber unter keinen Umständen Waylander anzugreifen. Warum nicht, hatte er gefragt, er ist doch auch nur ein Mensch? Ca-doras hatte gewußt, daß der Narr etwas Törichtes tun würde, aber Vulvin war auch kein großer Verlust.
Eine Stunde später kehrte Macas zurück. Er war ein kleiner und dicklicher Mann mit einem verdrießlichen Zug um die Lippen und ewig schlechter Laune. Er ging auf Cadoras zu, ohne den jungen Mann zu beachten.
»Tot«, sagte er einfach.
»Hast du die alte Frau getötet?«
»Nein. Sie hatte zwei Wölfe bei sich - sie fraßen Vulvin.«
»Und du wolltest ihr Mittagsmahl nicht stören?«
»Nein, Cadoras, ich wollte nicht sterben.«
»Sehr klug. Hewla hätte dich in Sekundenschnelle getötet; sie hat seltene Gaben. Übrigens, das waren keine Wölfe.«
»Aber ich habe sie gesehen ...«
»Du hast gesehen, was sie dich sehen lassen wollte. Hast du sie gefragt, wie Vulvin starb?«
»Das war nicht nötig. Sie sagte, es wäre sinnlos, Schakale hinter einem Löwen herzujagen - sie sagte, das solle ich dir sagen.«
»Sie hat recht. Aber ihr Schakale wart Teil der Abmachung. Steig auf.«
»Du magst uns nicht, was?« fragte Macas.
»Euch mögen, kleiner Mann? Was heißt mögen? Und jetzt steig auf.«
Cadoras ging zu seinem Pferd und
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