Waylander
schwang sich geschmeidig in den Sattel. Die Fuhrwerke waren jetzt außer Sicht, und er lenkte sein Reittier auf den Hang hinaus, wobei er sich im Sattel zurücklehnte und den Kopf des Tieres hochhielt.
»Mach es nicht zu leicht, Waylander«, wisperte er. »Enttäusche mich nicht.«
Als Karnak den Ratssaal betrat, standen die zwanzig Offiziere auf und salutierten. Der General bedeutete ihnen mit einer Geste, sich zu setzen, ging zum Kopfende des Tisches, nahm seinen Umhang ab und drapierte ihn über der Stuhllehne.
»Purdol steht kurz davor zu fallen«, erklärte er. Seine blauen Augen musterten die ernsten Gesichter um den Tisch. »Gan Degas ist alt, müde und bereit aufzugeben. In Purdol gibt es keine Priester der QUELLE, und der Gan hat seit über einem Monat keine Nachrichten mehr erhalten. Er glaubt, er ist allein.«
Karnak wartete, damit alle die Neuigkeit aufnehmen konnten, und schätzte die wachsende Spannung ab. Er beobachtete Gellan und stellte fest, daß er keine Spur von Gefühl zeigte. Anders der junge Sarvaj, in dessen Gesicht sich die Enttäuschung deutlich abzeichnete. Jonat flüsterte mit Gellan, und Karnak wußte, was er sagte: Er ritt auf früheren Fehlern herum. Der junge Dundas wartete gespannt, sein Zutrauen zu Karnak war absolut. Der General ließ seinen Blick um den Tisch schweifen. Er kannte jeden der anwesenden Männer, ihre Schwächen, ihre Stärken - die Offiziere, die zu Melancholie neigten, und die, deren leichtsinniger Mut gefährlicher war als Feigheit.
»Ich werde nach Purdol gehen«, sagte er, den richtigen Moment abpassend. Die Männer keuchten auf, und er hob die Hand um Ruhe. »Drei Armeen stehen gegen uns, der Löwenanteil vor Pur-dol. Wenn die Festung fällt, bedeutet das, daß vierzigtausend Mann frei sind, um in Skultik einzufallen. Gegen eine solche Macht können wir nicht bestehen. Also werde ich dorthin ziehen.«
»Du wirst niemals hineingelangen«, sagte ein Offizier, ein bärtiger Legionskrieger namens Emden. »Die Tore sind versiegelt.«
»Es gibt einen anderen Weg«, sagte Karnak. »Über die Berge.«
»Das Land der Sathuli«, murmelte Jonat. »Ich war schon dort. Trügerische Pässe, eisbedeckte Simse - unpassierbar.«
»Nein«, widersprach Dundas und erhob sich. »Nicht unpassierbar - wir haben mehr als fünfzig Mann, um den Weg freizumachen.«
»Aber die Berge führen nicht in die Festung«, protestierte Gellan. »Von der Rückseite Purdols steigen senkrechte Klippen empor. Es wäre unmöglich, dort hinunterzuklettern.«
»Wir gehen nicht über den Berg«, sagte Karnak. »Wir gehen durch ihn hindurch. Er ist durchzogen von einem Netz von Höhlen und Tunneln, und ein
Tunnel führt in die Verliese unterhalb des Bergfrieds; im Moment ist er blockiert, aber wir werden ihn räumen. Jonat hat recht: Der Weg ist schwierig, und wir haben keinen Platz für die Pferde. Ich habe vor, tausend Mann mitzunehmen, von denen jeder sechzig Pfund an Verpflegung schleppen wird. Dann werden wir aushalten, bis Egel aus Skultik ausbrechen kann ...«
»Und wenn er es nicht tut?« wollte Jonat wissen.
»Dann ziehen wir uns durch die Berge wieder zurück und teilen uns in kleine Überfallkommandos auf.«
Sarvaj hob die Hand. »Nur eine Frage, General. Nach den Angaben über die Festung sollte Purdol mit zehntausend Soldaten bemannt sein. Selbst wenn wir es bis hinein schaffen, werden wir die Verteidiger nur bis auf sechzig Prozent des Solls aufstocken. Können wir auch so aushalten?«
»Nur Architekten und Bürokraten arbeiten mit Zahlen, Sarvaj. Die erste Mauer von Purdol ist bereits gefallen, was bedeutet, daß Hafen und Docks bereits in den Händen der Vagrier sind und sie somit Lebensmittel und Truppen an Land bringen können. Die zweite Mauer hat nur zwei Tore, und die halten. Die dritte Mauer hat nur ein Tor - und danach kommt der Bergfried. Eine starke Truppe könnte Purdol mindestens drei Monate lang halten, und mehr brauchen wir auch nicht.«
Gellan räusperte sich. »Haben wir irgendeine Vorstellung«, fragte er, »von den Verlusten in Pur-dol?«
Karnak nickte. »Achthundert Mann. Sechshundert sind tot, der Rest ist zu schwer verwundet, um wieder kämpfen zu können.«
»Und was ist mit Skarta?« fragte Jonat. »Die Drenai-Familien hier sind auf unseren Schutz angewiesen.«
Karnak rieb sich die Augen und ließ das Schweigen wachsen. Diese Frage hatte er gefürchtet.
»Es gibt Zeiten harter Entscheidungen, und wir leben in einer solchen. Unsere Anwesenheit gibt
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