Weg der Träume
Paar.
Natürlich wird die Vorstellung, dass man so jung schon wahre Liebe empfinden könne, oft belächelt. Auf Miles und Missy traf dies aber zu, und in gewisser Weise war ihre Liebe stärker als jene, die man in späteren Jahren empfindet, weil die Realitäten des Lebens die beiden noch nicht eingeholt hatten. Sie blieben zusammen, während Miles die letzten Jahre der Highschool absolvierte, und auch als er am State College von North Carolina studierte, blieben sie sich treu. Missy lernte in dieser Zeit für ihre eigenen Prüfungen. Ein Jahr später kam sie auf sein College, und als er sie drei Jahre später beim Dinner fragte, ob sie ihn heiraten wolle, brach sie in Tränen aus, sagte »ja« und verbrachte die nächsten Stunden am Telefon, um ihrer Familie die gute Nachricht zu übermitteln, während Miles seinen Teller allein leer essen durfte. Miles blieb in Raleigh, bis Missy ihren Abschluss gemacht hatte, und bei ihrer Hochzeit in Bern war die Kirche zum Bersten voll.
Missy nahm eine Stelle in der Kreditabteilung der Wachovia Bank an, und Miles ließ sich zum Deputy Sheriff ausbilden. Missy war im zweiten Monat schwanger, als er in der Sheriffbehörde von Craven County anfing und auf jenen Straßen patrouillierte, die sie beide so gut kannten. Wie viele andere junge Paare kauften sie ein Haus, und als ihr Sohn Jonah 1981 wahrend des Hurrikans Charlie zur Welt kam, warf Missy einen Blick auf das kleine Bündel und wusste, dass Muttersein schöner war, als sie es sich in ihren kühnsten Träumen ausgemalt hatte. Obwohl Jonah erst mit sechs Monaten durchschlief und Missy manchmal Lust hatte, ihn genauso laut anzuschreien wie er sie, liebte sie ihn mehr, als sie je für möglich gehalten hätte.
Sie war eine wunderbare Mutter. Sie hörte auf zu arbeiten, um sich ganz Jonah widmen zu können, sie las ihm Geschichten vor, sie spielte mit ihm und besuchte mit ihm Kindergruppen. Sie konnte Stunden damit zubringen, ihn einfach nur zu beobachten. Als er fünf war, wollte Missy noch ein Kind, und sie und Miles wurden sich schnell einig. Die sieben Jahre ihrer Ehe waren für beide die glücklichsten Jahre ihres Lebens.
Doch im August 1986, im Alter von neunundzwanzig Jahren, kam Missy Ryan ums Leben.
Ihr Tod trübte das Licht in Jonahs Augen, und Miles peinigte und verfolgte er zwei Jahre lang. Er bereitete zudem den Weg für alles, was danach geschah.
Deshalb ist dies, wie ich schon angedeutet habe, Missys Geschichte ebenso wie die von Miles und Sarah. Und es ist auch meine Geschichte.
Auch ich habe bei alldem eine Rolle gespielt.
Kapitel 1
An einem frühen Augustmorgen des Jahres 1988, zwei Jahre nach dem Tod seiner Frau, stand Miles Ryan auf der rückwärtigen Veranda seines Hauses, rauchte eine Zigarette und sah zu, wie die aufgehende Sonne den mattgrauen Himmel orangerot färbte. Vor ihm lag der Trent River, dessen brackiges Wasser teilweise von Zypressen verdeckt war.
Der Rauch von Miles' Zigarette schlängelte sich aufwärts, und er spürte, wie die Feuchtigkeit aus dem Boden aufstieg und sich in der Luft ausbreitete. Kurz darauf stimmten die Vögel ihr Morgenlied an. Ihr Pfeifen und Trillern erfüllte die Luft. Ein kleines Boot fuhr vorbei. Der Fischer winkte, und Miles gab den Gruß mit einem leichten Nicken zurück. Mehr Energie brachte er nicht auf.
Er brauchte einen Kaffee. Einen Schub Koffein, und er wäre für den Tag gewappnet - Jonah schulfertig machen, die Mitbürger im Zaum halten, die sich nicht um das Gesetz scherten, Räumungsklagen für das County verschicken und sich außerdem um alles kümmern, was unweigerlich noch auf ihn zukam, wie das Gespräch mit Jonahs Lehrerin am späteren Nachmittag. Abends gab es sogar noch mehr zu tun. Damit der Haushalt reibungslos lief, war immer viel zu erledigen - Rechnungen mussten bezahlt werden, er musste einkaufen, putzen, Reparaturen im Haus durchführen. Wenn Miles, was selten vorkam, unvermutet ein wenig freie Zeit hatte, bekam er gleich das Gefühl, er müsse sie schleunigst sinnvoll nutzen. Schnell, lies ein Buch! Achtung, ein paar Minuten Erholung! Mach die Augen zu, gleich ist die Zeit schon wieder um. Es konnte einen wirklich zermürben, aber was sollte man dagegen tun?
Miles brauchte jetzt wirklich einen Kaffee. Das Nikotin hatte auch nicht mehr die rechte Wirkung, und er dachte sogar daran, das Rauchen aufzugeben. Doch andererseits war es gleichgültig, ob er rauchte oder nicht. Er selbst betrachtete sich eigentlich nicht als Raucher.
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