Weg mit den Pillen
Geistesschulung. Ärzte bilden sich in solchen Methoden oft fort, wenn sie bereits seit einiger Zeit praktisch tätig sind und sehen, dass sie mit konventionellen Methoden nur begrenzt weiterkommen, oder weil Patienten danach fragen.
Warum ist die Komplementärmedizin so in der Gunst der Verbraucher gestiegen? Warum wird diese Entwicklung auf fast aggressive Weise von Vertretern der Hochschulmedizin ignoriert? Ich meine, dies hängt damit zusammen, dass sich hinter den Ansätzen der Komplementärmedizin (nicht immer, aber oft) andere Vorstellungen vom Menschen, ganzheitliche Konzepte von Krankheit und Heilung verbergen, die uns abhandengekommen zu sein scheinen. Dass wir zu einem solchen ganzheitlichen Verständnis von Heilung und Krankheit finden, dabei aber das Gute, das uns die Entwicklung der Wissenschaft beschert hat, nicht aus den Augen verlieren, ohne wissenschaftsgläubig zu werden, dafür setze ich mich ein. Heilung kann immer nur von innen heraus kommen, wenn sie echt ist. Alles, was von außen kommt, dient nur der Unterstützung dieser Selbstheilung. Das klingt banal – ist es aber nicht, wenn wir Praxis und Theorie moderner Medizinsysteme betrachten. Und genau darum geht es mir. Ich möchte diese simple Einsicht vor dem Hintergrund unseres modernen Medizinsystems betrachten, genauer gesagt möchte ich das System an ihrem Maßstab messen.
Durch die Beschäftigung mit Homöopathie und Komplementärmedizin erreicht man rasch die Kernfragen: Wie kommt Heilung zustande? Welche Rolle spielen dabei kausale Effekte, wie sie von der Pharmakologie ausschließlich genutzt und für sich in Anspruch genommen werden? Man stößt schnell auf eines der größten Paradoxa der modernen Medizin, den Placeboeffekt. Dann erkennt man Folgendes: Obwohl »nichts« verabreicht wurde, obwohl also
»nichts« materiell Greifbares passiert ist, verbessert sich der Zustand eines Patienten, oder es kommt gar zur Heilung. Wie kann das sein?
Dogmatik im Sinne von Sturheit ist immer falsch. Es ist genauso falsch, auf die moderne Medizin zu wettern, wie sie über den grünen Klee zu loben. Es ist genauso falsch, die Komplementärmedizin oder die Homöopathie als Retterinnen der Stunde und einzige Optionen der Zukunft zu preisen, wie sie als unwissenschaftlich und rückständig zu verdammen. Wir können von beiden Richtungen lernen.
Wer auch immer Bücher verkauft mit dem Tenor: »Das muss man tun, wenn x passiert ist« oder »Wenn Sie y haben, haben sie b falsch gemacht«, der redet aus meiner Sicht Unfug. Krankheiten sind so individuell wie die Menschen, die sie haben. Sie entstehen aus einer komplexen Mischung aus genetischen Voraussetzungen, zeitlichen und örtlichen Gegebenheiten, individuellem Verhalten oder Nicht-Verhalten und sozialen Bedingungen. Die wichtigste Aufgabe von uns als Patienten ist es zu verstehen, wie genau diese Mischung im konkreten Falle zum Krankwerden beiträgt, denn das zeigt uns, was wir tun können, um gesund zu werden bzw. zu bleiben.
In diesem Buch geht es um die Frage: Was können wir tun , anstatt zu erleiden? Wie werden wir von Patienten zu Agenten, also zu Handelnden? Wie werden wir von solchen, denen etwas widerfährt, zu jenen, die ihr Leben, ihr Schicksal und damit auch ihre Gesundheit selbst gestalten? Daher geht das Buch auch über die unmittelbare Medizinthematik hinaus und berührt unsere Kultur im weiteren Sinne. Ich werde solche Bezüge vor allem am Rande einflechten.
Ich gehe folgendermaßen vor: Zunächst lege ich die Grundlagen, indem ich der Frage nachgehe, warum das Problem überhaupt existiert, das ich sehe, und was wir daran ändern können. Die Schwierigkeiten hängen damit zusammen, dass wir nur das sehen, was wir bereits kennen, und alles ignorieren, was nicht in unsere Welt passt. Deshalb ist ein radikaler Perspektivenwechsel nötig.
Die Paradigmen, die unsere allgemeine Wahrnehmung steuern,
sind auch in der Medizin aktiv. Hier und in unserer ganzen Kultur gehen wir nach dem Prinzip vor, dass der Körper, ähnlich wie ein Auto, eine komplizierte Maschine ist. Ist etwas kaputt, wird es repariert. Diese Vorstellung war sehr erfolgreich und nützlich. Sie hat uns viele Erkenntnisse ermöglicht, aber auch einige große Beschränkungen im Denken und Handeln auferlegt. Ich analysiere das im dritten Kapitel.
In Kapitel 4 und 5 widme ich mich dem Placeboeffekt. Ich zeige an ein paar spannenden Beispielen, wie er sich äußert, wie wir ihn verstehen können und was er uns
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