Weg mit den Pillen
falsch sein. Das wurde mir schnell klar. Die meisten Rationalisten unserer Tage ziehen bekanntlich die umgekehrte Schlussfolgerung: Weil die Homöopathie all unserem momentanen Wissen so diametral entgegensteht und vielen unserer Glaubenssätze widerspricht, könne sie selbst nur falsch sein.
Ich war an diesem Aspekt interessiert, weil mir schon damals dämmerte, dass man mehr aus Einsichten und Befunden lernt, die unserer
Erwartung entgegenlaufen, als aus dem, was sie bestätigt. Außerdem fügte sich die Maxime der Homöopathie, mit möglichst wenig pharmakologischen Eingriffen die Selbstheilung anzuregen, gut in meine eigene grundlegende Einsicht. Als ich dann einmal ein hartnäckiges Problem hatte – eine immer wiederkehrende chronische Kehlkopfentzündung mit Heiserkeit –, probierte ich die Homöopathie selbst aus. Die Effekte waren, gelinde gesagt, sehr verblüffend. Ich habe dann in der Folge verstanden, dass vermutlich fast alle Homöopathen wiederum ihren Selbstmissverständnissen aufsitzen. Die Homöopathie funktioniert zwar sehr gut, aber höchstwahrscheinlich nicht so, wie die Homöopathen oder Hahnemann meinen. Das hat mir gezeigt, dass es womöglich noch viel weiter greifende Therapieprinzipien gibt und dass die Homöopathie zwar ein sehr gutes, aber beileibe nicht das einzige Beispiel dafür ist, wie man Selbstheilungsprozesse steuern und nutzen kann.
Eine wichtige Erkenntnis aus der Beschäftigung mit der Homöopathie lautet, dass die vielleicht heilsamste Handlung von allen die ist, einmal nichts zu tun und die Finger davonzulassen. Zu Zeiten der Choleraepidemien Ende des 18. und im 19. Jahrhundert verbreitete sich die Homöopathie gerade in ganz Europa. Denn die Patienten in den homöopathischen Krankenhäusern starben fast nie, hingegen war die Todesrate in konventionellen Spitälern sehr hoch. Dies ist anhand historischer Akten hervorragend dokumentiert, an der Tatsache selbst gibt es keinen Zweifel. 3 Aber warum war das so? Die Homöopathen meinen, es hänge mit den homöopathischen Arzneien zusammen, die verabreicht wurden. Genauere Analysen zeigen, dass dies vermutlich falsch ist. Aber die Homöopathen taten etwas, das die konventionellen Spitäler nicht taten: Sie unterließen zum einen den schwächenden Aderlass, der die ohnedies dehydrierten Patienten noch mehr schwächte. Zum anderen gaben sie den Patienten so viel Wasser wie sie wollten, während ihre konventionellen Kollegen der Meinung waren, man müsse den dauernden Durchfall sozusagen durch Wasserentzug austrocknen. Damit taten sie genau das Falsche und die Homöopathen genau das
Richtige. Sie ließen nämlich den Selbstheilungskräften freien Lauf, gaben den natürlichen Impulsen der Patienten nach Wasser Raum, taten nichts, was noch weiter schwächte, und taten dafür etwas, von dem sie dachten es hilft: Sie verabreichten eben ihre Kügelchen. Damit nahmen sie selbst vermutlich eine therapeutische Haltung des »Wohl-Wollens« ein, und schon war das Wunder vollbracht: eine fast hundertprozentige Überlebensrate. Der eigentliche Trick: nichts zu tun, und dies mit Wohlwollen.
Als ich einmal eine sehr schmerzhafte Ischiasentzündung hatte, die es mir schwer machte zu sitzen und die allen physiotherapeutischen, homöopathischen und konventionellen Interventionen widerstand, ging ich in mich, sagte ein paar Reisen ab und setzte mich trotz der Schmerzen auf mein Meditationskissen. Es gelang mir, mich in eine sehr tiefe Versenkung zu begeben. Währenddessen war es mir, als wäre ein Schalter umgelegt worden, und die Schmerzen waren weg – dauerhaft und sofort. Sie sind seither nie wiedergekommen. Das hat mich gelehrt, wie wichtig das Bewusstsein, die Steuerung des Bewusstseins und das Treffen von Entscheidungen im Genesungsprozess sind.
Aus wissenschaftlichem Interesse und aus kollektiver Profitgier liegt der Schwerpunkt derzeit vor allem auf der Aufklärung der genetischen Erkrankungsgrundlagen und auf den möglichen pharmakologischen Interventionen, mit denen diese Grundlagen verändert werden könnten. Man richtet sein Augenmerk auf das schwer Beeinflussbare und übersieht das Einfache und Naheliegende. Alle Gene, bis auf ganz wenige Ausnahmen, benötigen immer eine gewisse Interaktion mit der Umwelt, um überhaupt zum Ausdruck zu kommen. Und dann bestimmt die Art der Umwelt und der Interaktion, wie genau sie zum Ausdruck kommen. Diese sogenannte Epigenetik – also das, was die Genetik überformt – kommt erst langsam, aber umso
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