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Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Titel: Wehe Dem, Der Gnade Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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Erfahrung wusste er, dass man in den Wäldern gar nicht genug Wasser dabeihaben konnte. Die Kassiererin hatte eine angenehm beruhigende Ausstrahlung, fand Caleb. Ihr Gesicht war weich und faltig, und sie hatte große volle Brüste. Caleb hätte gern seinen müden Kopf darauf gebettet, um sich auszuruhen.
    »Das macht dann fünf fünfundneunzig«, sagte die Frau und lächelte ihn an.
    Er gab ihr einen Zwanziger und atmete ihren Duft ein, während sie sein Geld nahm und das Wechselgeld abzählte. Sogar ihr Geruch hatte etwas Beruhigendes: Aus den Falten ihrer Bluse strömte das Aroma von Vanille, Zimt und Nelken. Caleb musste an eine gemütliche Küche zur Weihnachtszeit denken, in der Bleche voller grinsender Lebkuchenmännchen zum Auskühlen standen und Dampf an den Fensterscheiben zu kleinen Tropfen kondensierte.
    Ob seine Mutter so gerochen hatte? Es war zu lange her, er konnte sich nicht erinnern. Er hätte gern mit der Frau gesprochen, aber als sie ihm das Wechselgeld gab und ihre Finger dabei seine Handfläche berührten, errötete er heftig. Caleb wich dem Blick der Kassiererin aus, bedankte sich murmelnd und floh aus dem Laden.
    Die Frau hätte sicher nicht so lieb gelächelt, wenn sie gewusst hätte, welche Geheimnisse er verbarg. Caleb lief zu seinem Auto, in dem Charlotte lag. Er wollte sie an seinen geheimen Ort bringen, zum heiligen Wasser, wo sich für sie beide ihr Schicksal erfüllen sollte. Und dann, endlich, würde seine Verwandlung abgeschlossen sein: Dann war er der Grüne Mann.

KAPITEL 60
    Lee und Butts hatten das Haus durchsucht. Eric McNamara war nicht da. Der Einzige, der sich im Haus befand, war der alte Mann, und er schien schon eine ganze Weile allein gewesen zu sein. Es war erstaunlich, dass er es angesichts seines Zustands geschafft hatte, aus seinem Zimmer auszubrechen. Glücklicherweise war das Haus alt, und das Holz der Tür schon morsch.
    Diesel ging hinaus, um die Scheune und das Grundstück abzusuchen, während Butts den Sozialdienst verständigte, damit man Mr McNamara abholte.
    Da Diesels Durchsuchung ergebnislos blieb, musste Eric Charlotte irgendwoanders hingebracht haben. Darüber, ob sie noch lebte oder schon tot war, wollte Lee lieber nicht spekulieren; sie konnten nur das Beste hoffen. Dass Krieger tot war, hielt Lee hingegen für absolut sicher.
    Butts rief bei den Kollegen in New York und bei der New Jersey State Police an, damit sie eine Fahndung herausgaben. Das geografische Profil, das Lee anhand der Fundorte der Opfer erstellt hatte, war richtig gewesen. Eric besaß seine eigene Limousine, mit der er für den Fleet Car Service fuhr. Das Unternehmen hatte seinen Sitz in Riverdale, nur ein paar Blocks vom Spuyten Duyvil entfernt. Das Kennzeichen seines Wagens zu ermitteln war nicht schwer, blieb nur zu hoffen, dass es etwas brachte – und zwar rechtzeitig.
    »Der kann überall sein«, sagte Butts. »Wir verständigen besser auch die Polizei in Pennsylvania.«
    Damit hatte er recht. Die Staatsgrenze war nicht weit entfernt, und McNamara konnte mit Charlotte durchaus in Richtung Westen geflohen sein. Lee, Butts und Diesel versammelten sich in der Küche, um ihre nächsten Schritte zu planen.
    »Glauben Sie, dass sein Vater irgendwas weiß?«, fragte Diesel. Er hatte Mr McNamara ein Sandwich mit Erdnussbutter gemacht. Der Alte saß in der weiß gestrichenen Küche, verschlang das Sandwich und stürzte zwischen jedem Happen einen großen Schluck kalte Milch hinunter. Dabei sah er seine Retter immer wieder flehentlich an, als fürchtete er, sie könnten auch einfach verschwinden und ihn allein lassen.
    Butts beugte sich zu dem Alten hinunter und sprach so langsam und laut, als hätte er einen Schwachsinnigen vor sich.
    »WISSEN – SIE – WO – IHR – SOHN – IST?«
    McNamara kniff die Augen zusammen und kaute an seinem Sandwich, wobei Brotkrümel in alle Richtungen flogen.
    Butts richtete sich wieder auf. »Glauben Sie, er weiß was über Krieger, Doc?«
    »Fragen Sie ihn.«
    Butts beugte sich näher ans Ohr des alten Mannes. »HABEN – SIE – EINE – GROSSE – ROTHAARIGE – FRAU – GESEHEN? SIE – SPRICHT – MIT – DEUTSCHEM – AKZENT.«
    McNamara starrte ihn an.
    »Der Junge hat ihn in seinem Zimmer eingeschlossen«, sagte Diesel. »Wahrscheinlich weiß er gar nichts.«
    »Eric ist irgendwohin gefahren, wo er sich wohlfühlt«, warf Lee ein. »Irgendwo ans Wasser. Kann praktisch überall sein.«
    Er lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und betrachtete das

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