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Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Titel: Wehe Dem, Der Gnade Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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auf die Play-Taste und dann versammelten Sie sich so aufgeregt und gleichzeitig beklommen um das Gerät wie Teenager, die sich ihren ersten Pornofilm ansehen.
    Die Kamera war auf die Couch in der Ecke von Perkins’ Büro gerichtet. Nach einem Moment kam ein junger Mann ins Bild und legte sich auf die Couch. Dr. Perkins war nicht zu sehen, aber man konnte seine Stimme hören.
    »Hast du es bequem?«
    Der junge Mann nickte.
    »Gut«, sagte Perkins, dann sprach er seinem Patienten eine Reihe von Visualisierungen vor. Die Standardtechnik, um jemanden in Hypnose zu versetzen, wie Lee sofort erkannte.
    »Er hypnotisiert den Jungen«, flüsterte Butts. »Nicht wahr, Doc?«
    »Das ist korrekt«, antwortete Lee.
    »Lass dein bewusstes Selbst los – und wenn du so weit bist, dann soll Caleb zum Vorschein kommen«, sagte Perkins.
    »Ich glaub’s nicht«, flüsterte Officer Anderson. »Das ist schräg.«
    Der junge Mann auf der Couch begann zu zucken, seine Augen waren aber weiterhin geschlossen. Plötzlich wurde er ruhig. Es schien, als schlafe er.
    »Caleb?«, fragte Dr. Perkins. »Bist du da?«
    »Ich bin hier«, sagte der junge Mann mit fester, klarer Stimme und noch immer geschlossenen Augen.
    »Weißt du wer ich bin?«, fragte Perkins weiter.
    »Du bist … mein Vater.«
    »Heilige Scheiße«, flüsterte Butts.
    »Bist du ein guter Sohn?«, fragte Perkins.
    »Ja, Vater.«
    »Und was tut ein guter Sohn?«
    »Das, was sein Vater ihm sagt.«
    Perkins’ Stimme war so ruhig, als hätte er den jungen Mann gerade darum gebeten, etwas Gemüse zu besorgen. »Müssen böse Mädchen sterben?«
    »Ja, Vater.«
    »Und wer ist ein sehr böses Mädchen gewesen?«
    »Das war Ana.«
    »Du meinst deine Schwester?«
    »Ja, Vater.«
    Butts drückte die Pause-Taste.
    »Heilige Scheiße!«, rief er schon wieder. »Wenn Perkins diesen Jungen davon überzeugt hat, dass Ana seine Schwester aus einem vorherigen Leben und er sein Vater ist, dann ist Charlotte …«
    »… seine Mutter«, beendete Lee den Satz für ihn.
    »Also hat Perkins ihn dazu gebracht, Ana umzubringen – aber warum?«
    »Vielleicht damit sie ihn nicht wegen ihrer Beziehung bei den Behörden anzeigt«, spekulierte Lee. »Ihr Tagebuch legt den Schluss nahe, dass sie sich mit jemandem aussprechen wollte, was zu dem passt, was Charlotte mir erzählt hat.«
    »Aber warum sollte dann dieser Caleb Dr. Perkins umbringen?«, wollte Anderson wissen.
    »Eifersucht«, antwortete Lee. »Das älteste Motiv der Welt. Irgendwie hat er herausgefunden, dass Perkins mit Ana geschlafen hat …«
    »Vielleicht hat Charlotte es ihm erzählt!«, spekulierte Anderson.
    »Wenn er Charlotte entführt hat«, fuhr Lee fort. »Dann hat er in seinen Augen also …«
    Diesmal brachte Butts den Satz zu Ende. »… seine Mutter entführt.«

KAPITEL 58
    Calebs wahre Identität war tatsächlich Eric McNamara, und seiner Akte zufolge wohnte er in Sergeantsville, einem der kleinen Nester inmitten des hügeligen Ackerlands von Hunterdon County, nordöstlich von Stockton.
    »Also, worauf zur Hölle warten wir?«, fragte Butts. »Los geht’s!«
    Sie gingen nach draußen und informierten Diesel, der immer noch vor der Tür Wache schob. Das Team von der Spurensicherung aus Trenton traf gerade ein, und sie ließen Anderson zurück, damit er die Kollegen einweisen konnte. Von der Veranda aus schaute ihnen der junge Polizist wehmütig hinterher, als sie in den alten Ford stiegen. Butts warf den Motor an und in einer blauen Wolke von Abgasen brausten sie davon.
    Die Hügel von Hunterdon County waren nicht gerade gemacht für so eine große Klapperkiste, ganz besonders nicht bei dem Tempo, in dem Butts fuhr. Lee vermied es, auf den Tacho zu schauen, aber jedes Mal, wenn sie über eine Hügelspitze schossen oder durch eine scharfe Kurve schlitterten, hielt er den Atem an. Lee drehte sich um, weil er sehen wollte, wie es Diesel hinten auf dem Rücksitz ging. Doch der sah seelenruhig aus dem Fenster. Dabei hatte er seine mächtigen Hände auf dem Schoß gefaltet und wirkte so entspannt, als befänden sie sich auf einer Sonntagsspritztour und nicht auf Verfolgungsjagd nach einem mutmaßlichen Serienmörder.
    Sie rasten an steinernen Häusern mit frisch gestrichenen Holzzäunen vorbei. Hierher zogen sich die Betuchteren zurück, wenn sie in Ruhestand gingen – Leute, die zu viel Stil hatten, um nach Florida zu ziehen. »Wie stehen die Chancen, dass er zu Hause ist?«
    »Wahrscheinlich nicht sehr hoch«,

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