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Wehe wenn der Wind weht

Wehe wenn der Wind weht

Titel: Wehe wenn der Wind weht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Frau, Mama, und daran kannst du nichts ändern. Und jetzt werde ich auch eine Mutter sein. Eine Mutter - genau wie du.«
    Dianas Augen, in die ihrer Mutter versenkt, schienen nichts als Herausforderung zu sprühen. Doch dann wandte sie sich ab und verließ das Zimmer. Edna, die sich plötzlich sehr leer fühlte, sank in die Kissen zurück.
    In der Küche begann Diana für sich und Christie das Frühstück vorzubereiten. An diesem Morgen hatte sie nach dem Aufwachen beschlossen, daß der heutige Tag der Tag sein sollte, an dem ihr Leben wieder begann. Die Beerdigung war Vergangenheit. Jetzt gehörte Christie ihr. An diesem Morgen würde sie damit beginnen, für das Kind einen Tagesablauf festzulegen und damit den langen Prozeß einleiten, Christie ganz für sich allein zu haben.
    Sie begann, für Christie das Frühstück vorzubereiten, wobei sie unbewußt die Gerichte imitierte, die ihre Mutter für sie zubereitet hatte, als sie noch ein Kind war. Sie legte ein einzelnes Gedeck für Christie auf den Tisch, und als das kleine Mädchen ein paar Minuten später erschien, stand da nur ein Glas Orangensaft an ihrem Platz.Christie starrte es stumm an und sah dann Diana an.
    »Ist das alles?« fragte sie scheu.
    »Das ist erst der Anfang«, erzählte Diana ihr. »Aber es ist nicht gut für dich, wenn alles beim Essen durcheinander kommt. Fang mit dem Orangensaft an, danach kannst du deine Eier haben.«
    Verblüfft trank Christie den Orangensaft. Auf dem Grund des Glases war eine formlose, farblose Masse, die wie Gallerte aussah. Christie schaut sie angeekelt an.
    »Da ist etwas in meinem Glas«, sagte sie schließlich.
    »Vaseline«, erklärte ihr Diana, die sie durch den Raum anlächelte. »Das ist sehr gut für dich - es schmiert deinen Magen, damit du keine Magenverstimmung bekommst.«
    Christie spürte einen Kloß im Hals, als sie begriff, daß von ihr erwartet wurde, daß sie die klitschige Masse schluckte. Sie starrte sie lange Zeit an und wünschte, sie würde verschwinden.
    »Muß ich das?«
    Diana trat neben sie. »Es ist gut für dich«, wiederholte sie. »Als ich aufwuchs, mußte ich vor jeder Mahlzeit einen Löffel Vaseline nehmen. Es hat mir doch nicht geschadet, oder?«
    Christie schluckte und führte den Löffel in ihr Glas. »Bei meinem Vater mußte ich nie Vaseline essen«, sagte sie.
    »Vielleicht hat dich dein Vater nicht so lieb gehabt wie ich.«
    Christie schaute Diana ins Gesicht, aber Diana lächelte sie noch immer an. Und doch war etwas in Dianas Gesichtsausdruck, das ihr verriet, daß eine Diskussion sinnlos sein würde. Sie schloß die Augen und holte tief Luft, und dann schob Christie den Klumpen Vaseline in ihren Mund.
    Er schwabbelte zwischen ihren Zähnen durch. Ein geschmackloser, formloser Bissen Schleim, den sie einfach nicht schlucken konnte, wie sehr sie sich auch an strengte. Ganz plötzlich begann sie zu würgen und rannte durch die Küche, um ihren Orangensaft in den Ausguß zu erbrechen.
    Als sie zum Tisch zurückkehrte, wartete Diana mit einem neuen Löffel voll auf sie.
    »Du mußt nicht darauf kauen«, erklärte Diana. »Denk, es sei eine Pille.« Irgendwie gelang es Christie, die zweite Dosis zu schlucken.
    Diana begann, das Frühstück zu servieren.
    Zuerst weichgekochte Eier.
    Dann eine Scheibe Toast.
    Schließlich eine Schüssel Brei.
    Nachdem eine Ewigkeit vergangen zu sein schien, hatte Christie die seltsame Mahlzeit geschafft.
    Als sie fertig war, wusch sie das Geschirr ab, wobei Diana ihr zusah. Und sie hörte dann zu, als Diana ihr erklärte, für welche täglichen Pflichten sie verantwortlich sei.

    Edna Amber beobachtete aus ihrem Fenster, wie Diana und Christie den Hof überquerten und in den Hühnerstall gingen. Die beiden, überlegte sie, sahen für alle Welt wie Mutter und Tochter aus, genau wie sie und Diana vor Jahren ausgesehen haben mußten. Nur, daß Christie nicht Dianas Tochter war. Edna wandte sich vom Fenster ab und begann, sich anzuziehen.
    Eine halbe Stunde später nahm sie die Autoschlüssel von ihrem Haken in der Küche und ging zur Garage. Sie zerrte an der schweren Schiebetür und fürchtete für einen Augenblick, daß sie sie nicht öffnen könne. Dann begann sie, sich mit widerstrebendem Quietschen auf den metallenen Rollen zu bewegen. Edna öffnete sie ganz und steuerte dann auf den alten Cadillac zu. Sie starrte auf das Armaturenbrett und studierte es. Es war Jahre her, seit sie zum letzten Mal gefahren war, aber sie sagte sich, es sei wie Schwimmen:

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