Wehe wenn der Wind weht
für mich klingt es fast wie eine Drohung. Wenn es eine solche ist, dann lassen Sie mich Ihnen dies sagen: Gleich, was jetzt geschehen mag, ich werde mich daran erinnern. Und was irgendeine gesetzliche Vorgehensweise anbelangt, die Sie vielleicht in Erwägung ziehen, so würde ich an Ihrer Stelle zweimal darüber nachdenken. Sie müßten Diana verklagen, und ich könnte mir vorstellen, daß jeder Anwalt ihr raten würde, umgekehrt Sie zu verklagen. Sie sind keine junge Frau mehr, Miß Edna, und jedermann in Amberton weiß, daß Sie, nun was ...?« Er pausierte einen Augenblick und schleuderte ihr dann das Wort ins Gesicht. »Überspannt sind!«
Edna Amber fuhr aus ihrem Sessel hoch und ihre Augen funkelten wütend.
»Wie können Sie es wagen!« herrschte sie ihn an, aber der Marshal hielt ihrem Blick mit einer Ruhe stand, die er sich durch die Praxis langer Jahre angeeignet hatte.
»Sie kamen zu mir, um sich Rat zu holen, Miß Edna«, sagte er. »Den habe ich Ihnen gegeben. Ich weiß, daß es Sie ärgert, plötzlich ein Kind in Ihrem Haus zu haben. Sie sind daran gewöhnt, daß Dianas Aufmerksamkeit allein Ihnen gilt, und die haben Sie jetzt nicht mehr. Was mich betrifft, so können Sie gerne versuchen, Diana dazu zu bringen, das Kind aufzugeben. Aber ich würde das nicht vor Gericht versuchen, Miß Edna. Statt dessen würde ich versuchen, mich daran zu gewöhnen, daß die Dinge sind, wie sie sind. Im Leben geht's nicht immer so, wie wir uns das wünschen. Nicht einmal für Sie.«
Der Marshal und die alte Frau saßen sich herausfordernd gegenüber, und die Anspannung knisterte zwischen ihnen. Am Ende war es Dan Gurley, der beiseite blickte und seine Aufmerksamkeit dem schönen Wetter draußen zuwandte.
»Es ist Sommer, Miß Edna«, sagte er gesprächig, als ob er nicht einen Augenblick zuvor in eine Auseinandersetzung mit ihr verstrickt gewesen sei. »Es wird dieses Jahr sehr heiß werden. Heiß und trocken. Die Leute werden reizbar. Ich glaub', das Beste, das wir alle tun können, ist zu versuchen, ruhig zu bleiben, und zu versuchen, einfach drüber hinwegzukommen.«
»Es ist ein Sommer wie alle anderen, Daniel«, erwiderte Edna. »Und ich habe die Absicht, ihn wie alle anderen zu verbringen. Zu Hause, allein mit meiner Tochter. Vielleicht werde ich das können.« Sie nahm ihre Handtasche und verließ Dan Gurleys Büro. Er hörte, wie sich die Tür hinter ihr schloß, aber er blieb am Fenster, bis er sie langsam die Stufen des Gebäudes heruntergehen sah und sie ins Auto stieg. Erst als der Cadillac vom Bordstein weggefahren war, wandte er sich wieder seinem leeren Büro zu.
Diana führte Christie in den Schuppen über dem Lagerkeller. Längs der Wand standen Futtersäcke, und sie erklärte dem kleinen Mädchen genau, wofür welcher Sack war, und wieviel davon die Hühner täglich bekommen sollten. Doch noch während sie sprach, war sie in Gedanken bei ihrer Mutter und überlegte, wohin sie gefahren sein mochte und warum sie allein weggefahren war.
Einen Augenblick lang war sie von Panik erfüllt gewesen, als sie den Cadillac aus der Garage fahren sah. Dann aber hatte sich der Schrecken gelegt, als Edna sicher über die Straße auf Amberton zurollte. Ihr war nur ein unbestimmbares Gefühl von Unwohlsein geblieben.
Sie hätte sich erleichtert fühlen müssen. Es war Jahre her, seit ihre Mutter allein irgendwohin gefahren war, und Diana hätte eigentlich froh darüber sein müssen, daß ihre Mutter endlich einmal etwas für sich tat. Doch tief innerlich wußte sie, daß Ednas Fahrt mit ihr zu tun hatte. Mit ihr und mit Christie. »Fressen die wirklich Sand?«
Christies Frage unterbrach ihre Gedanken. »Das ist für ihre Muskelmagen«, erklärte sie. »Sie brauchen den Sand, damit sie die Körner verdauen können, die sie fressen.«
»Igitt.« Christies Gesicht verzog sich voller Ekel. Sie blickte auf die verschiedenen Säcke und war sicher, daß sie sich nie merken könnte, was alles wo drin war. Was war, wenn sie den Hühnern das falsche Futter gab? Würde Diana böse auf sie sein? Sie würde sehr aufpassen müssen, um keinen Fehler zu machen. Aber wenn sie nun doch einen machte? Die Frage beschäftigte sie und bereitete ihr Sorgen. Das Leben war jetzt so anders. Alles war neu für sie und es gab so vieles, was sie nicht verstand. »Können wir jetzt zu den Pferden gehen?« bettelte sie. Pferde kannte sie, und sie mochte sie viel mehr als Hühner.
Diana nickte und begann, die Luke der Schuppentür zu
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