Wehe wenn der Wind weht
gut, Juan. Komm - wir wollen sie von hier wegbringen.«
Er nahm Kim hoch und trug sie durch das Dickicht zurück. Er blieb dort stehen und schaute auf die verstreut liegenden Kleidungsstücke.
Ein Badeanzug, der verknautscht im Schmutz lag, und daneben ein Haufen ordentlich zusammengelegter Kleidungsstücke.
Bis auf die Unterwäsche, die Kim trug.
Sein erster Gedanke war, daß es wahrscheinlich ein Unfall gewesen war. Wenn Kim allein geschwommen war, konnte sie plötzlich einen Krampf bekommen haben und war ertrunken, da niemand ihr zu Hilfe eilen konnte.
Aber jetzt war er sich nicht so sicher.
Es sah aus, als hatte sie sich anziehen wollen.
Hatte sie plötzlich beschlossen, noch einmal ins Wasser zu gehen? Aber dann hätte sie doch entweder ihren Badeanzug wieder angezogen oder wäre nackt ins Wasser gegangen, oder nicht?
Dan hatte den Eindruck, als ob sie etwas überrascht hätte.
Etwas oder jemand.
Er sprach über keinen seiner Gedanken mit Juan, der nervös neben ihm herumscharrte.
»Sollen wir ihre Kleidung mitnehmen?«
»Nein. Laß sie hier - ich hole sie später.« Dan trug Kim zurück zu seinem Wagen, der am Eingang zum Bergwerk geparkt war, und Juan folgte ihm.
Neben seinem Wagen stand Esperanza Rodriguez. Als sie den Körper des kleinen Mädchens in Dans Armen sah, bekreuzigte sie sich und ging dann zu ihrem Sohn. Sie schaute ihm tief in die Augen. Dann flüsterte sie ihm etwas ins Ohr, als sei sie mit etwas zufrieden. Juan hörte zu, nickte und stieg in den Wagen des Marshals. Als Dan den Motor startete, lächelte Juan ihn an und sprach.
»Meine Mama sagt, daß alles in Ordnung ist«, sagte er. »Sie sagt, ich habe nichts getan.«
Dan seufzte und ließ den Wagen anrollen. Er schaltete die Sirene nicht ein, als er nach Amberton zurückfuhr - dafür gab es keinen Anlaß. Als er bei den Ambers vorbeifuhr, sah er Diana auf dem Hof, die mit Christie Lyons sprach und sie zurück zum Haus führte.
Wenn er Kims Leichnam in Bill Henrys Büro gebracht hatte, würde er wieder hierher fahren und mit Diana und Miß Edna sprechen, und mit Christie ebenfalls. Zwei Tote auf der Ranch in knapp zwei Wochen.
Es war wie die Geschichten aus den alten Zeiten, als das Bergwerk noch in Betrieb war, die er gehört hatte. Nur, daß das Bergwerk jetzt stillgelegt war.
Bill Henry kam aus seinem Büro und zuckte die Achseln.
»Ich weiß nicht. Ich habe sie noch nicht obduziert, aber bisher gibt's nicht viel. Sie hat ein paar Schrammen am Körper, doch es gibt keine Risse in der Haut.«
Dan kratzte seine Nase und nickte. »Hast du sie auf Vergewaltigung untersucht?«
Bill nickte. »Nichts. Das Hymen ist geschlossen und keine Samenspuren.« Bill schwieg und schaute aus dem Fenster auf den Polizeiwagen, in dem Juan Rodriguez noch immer friedlich auf dem Vordersitz saß. »Hast du Juan im Verdacht?«
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Dan langsam. »Ich hätte das wohl, wenn die Ärzte in Pueblo mir nicht gesagt hätten, daß er harmlos sei. Aber man weiß ja nie. Was meinst du?«
Wieder zuckte Bill die Schultern. »Wenn du keinen Grund hast, anderes anzunehmen, würde ich es als Unfall bezeichnen. Aber ich werde das noch nicht in den Befund schreiben - ich möchte, daß sie von jemandem obduziert wird, der weiß, worauf er zu achten hat. Hast du schon mit ihren Eltern gesprochen?«
»Noch nicht. Ich habe Alice Sandler angerufen - sie ist auf dem Weg hierher.«
»Das wird hart werden. Kim ist alles, was sie hatten.«
»Ich weiß. Ich glaube, das Schlimmste bei dieser Arbeit ist, die schlechten Nachrichten zu überbringen. Dann werde ich zurück zum Steinbruch fahren. Ich muß mich da noch einmal umschauen, und dann werde ich die Ambers über das informieren,was geschehen ist.«
Die Eingangstür des Büros wurde aufgestoßen, und Alice Sandler stürmte mit ängstlich aufgerissenen Augen hinein.
»Wo ist Kim?« fragte sie. »Was ist passiert?«
»Setzen Sie sich bitte, Alice«, sagte Bill, und der Klang seiner Stimme vermittelte der erregten Frau, was geschehen war.
Alice sank auf das Sofa und hörte Dans Ausführungen wie benommen zu. Als er fertig war, schaute sie ihn direkt an.
»Es war kein Unfall«, sagte sie. »Kim ist eine gute Schwimmerin. Sie kann seit ihrem vierten Lebensjahr schwimmen.« Dann, als begreife sie zum ersten Mal die ganze Tragweite der Tragödie, begann sie zu weinen.
»Ich meine, sie war eine gute Schwimmerin«, fügte sie hinzu, und ihre Stimme brach.
Sie saß einen Augenblick
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