Weihnachtsengel gibt es doch
Vertonung von Werbespots war etwas ganz Normalesund zu Eddies Leidwesen eine Spezialität von Larry. Es war immer wieder seltsam – und ein wenig verstörend –, das Radio oder den Fernseher anzumachen und die Stimme seines Vaters zu hören, der ein Auto anpries oder einen Wahlspot für einen Politiker sprach. Aber das war das Showbusiness, wie seine Eltern sagen würden. Man wusste nie, was einen hinter der nächsten Ecke erwartete.
„Ich möchte mit dir über deine diesjährigen Pläne für die Feiertage sprechen“, sagte seine Mutter.
Korrigiere, dachte er, manchmal wusste man genau, was als Nächstes kam. „Ich bin ganz Ohr, Barb.“
„Wir planen unser übliches Zusammenkommen am Heiligabend – du weißt schon, alte Freunde und Nachbarn.“ Sie sprach mit der leichten, süßen Stimme, die ganz Amerika vor Jahrzehnten verzückt hatte. Sie klang immer noch entzückend. „Oh, und die Sheltons kommen aus Florida rauf. Du erinnerst dich doch noch an die Sheltons?“
„Sie hatten vor Jahren diesen nervtötenden Hund.“
„Ich weiß nichts von nervtötend …“
„Ich aber.“
„Nun, sie sind eine nette Familie, und sie haben eine ganz bezaubernde Tochter …“
„Evelyn“, ergänzte er den Satz und erinnerte sich an ein Mädchen ungefähr seines Alters mit roten Haaren und dem Lächeln eines Kinderstars, das auf Kommando so hell und künstlich erstrahlte wie ein Fünftausendwattscheinwerfer. Er trat ans Fenster und zog das Rollo hoch. Draußen war es immer noch dunkel. Die Straßenlampen verbreiteten einen gelben Schein in der Nachbarschaft, die aus einer bunten Mischung verschiedener Hütten am See bestand. Aus seinem Fenster sah er in einer Richtung den See, in der anderen die Stadt. Nur wenige Autos krochen über die schneebedeckten Straßen.
„Genau“, sagte seine Mutter. „Sie war eine Zeit im Auslandund ist jetzt wieder zurück. Ich dachte, vielleicht …“
„Meinst du ‚im Ausland‘ im Sinne von ‚in einer Entzugsklinik‘?“, fragte Eddie. „Oder ‚im Ausland‘ im Sinne von ‚in einem anderen Land‘?“
„Sei nicht albern“, sagte Barb. „Im Ausland heißt im Ausland. Wir werden eine lustige Zeit haben. Es gibt eine Sternsinger-Party, und am Weihnachtsabend besuchen wir das Frauenhaus in der Stadt. Um den Menschen dort ein wenig weihnachtliche Freude zu bringen. Gott weiß, dass geschlagene Frauen und ihre Kinder es gebrauchen können.“
„Gott weiß“, wiederholte er und konzentrierte sich auf die blinkende Neonreklame der Hilltop Tavern in der Ferne.
„Natürlich kommen danach alle zum Feiern mit zu uns. Und wie jedes Jahr werden wir deinen Film zeigen. Ohne Der Weihnachtsstreich ist es einfach kein Weihnachten. Das ist immer mein liebster Teil des Abends. Alle haben immer so viel Spaß dabei.“
„Haben Sie den, ja?“ Er schlurfte in die Küche und stellte die Kaffeemaschine an.
„Dieses Jahr noch mehr als sonst, weil die überarbeitete Fassung so fantastisch ist. Wir hoffen sehr, dass du kommst. Das wäre das Sahnehäubchen auf dem Abend. Wir haben immer so viel Spaß – Partyspiele, Eierpunsch, großartiges Essen. Und natürlich musst du dir wegen deines, äh, Problems keine Gedanken machen.“
Es irritierte ihn, dass sie bei dem letzten Satz die Stimme gesenkt hatte. „Du kannst es ruhig laut aussprechen, Barb. Ich bin Alkoholiker.“
Natürlich sagte sie es nicht laut. Das tat sie nie. Seiner Krankheit einen Namen zu geben würde bedeuten, sie anzuerkennen und sich selbst vielleicht in einem nicht allzu schmeichelhaften Licht betrachten zu müssen. „Ich habe ein Rezept für einen sehr leckeren Punsch gefunden, der nur aus Softdrinks und Limonensorbet gemacht wird.“
„Mir läuft das Wasser im Mund zusammen.“
„Und ich habe alle unsere alten Fotos einscannen lassen und eine Slideshow für den Computer daraus gemacht. Inklusive passender Musik. Es fängt mit einem alten Schnappschuss aus den Zirkustagen vom Urgroßvater deines Vaters an und geht bis zum heutigen Tag. Die meisten Bilder sind natürlich von dir. Die Leute werden sterben, wenn sie sehen, wie süß du warst. Sie werden einfach sterben. Dazu dich hier vor Ort wäre wirklich die Krönung.“
Es wäre immerhin besser, als sich einen scharfen Stock ins Auge zu stechen, dachte er.
Er stellte sich seine Eltern und ihre Freunde vor, die sich alle gut gehalten hatten, wie sie beieinandersaßen und auf die verrückten Tage ihrer Jugend anstießen. Heutzutage lebten die Havens und die
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