Weihnachtsmaerchen Fuer Kinder
Kreise um; grade auf die Nachtigall, die ja doch als Künstlerin ein großes Herz haben mußte, hatte es im stillen am meisten gerechnet.
›Geschätzte Freundin,‹ hob nun der Dompfaffe an, ›ich bin stets bereit zu allen guten Werken, aber es steht geschrieben: ›Wer sich mutwillig in Gefahr begibt, kommt darinnen um.‹ Der Flug, den du uns da zumutest, ist für unsere Fittiche zu hoch; aber selbst wenn ich ihn unternehmen wollte, so dürfte ich nicht – denn wer sollte hier im Walde Sitte und Ordnung aufrechterhalten, wenn ich verdürbe?‹
›Ja, ja‹ schnatterte die Elster dazwischen, ›der würdige Herr Dompfaffe hat ganz recht. Er muß bei uns bleiben, und ich kann mich auch durchaus nicht auf die Reise einlassen. Auf morgen bin ich zu der Drossel auf ein Gericht Würmer eingeladen, auf übermorgen zu Wiedehopfs, und so die ganze Woche fort. Gott, wie schrecklich, wenn ich mich beschädigte und daheim bleiben müßte; die ganze Gesellschaft stürbe vor Langeweile!‹
Christkindchen wendete sich unmutig weg, aber die Not war gar zu groß, darum legte es sich noch einmal aufs Bitten. ›Und du, Lerche,‹ sagte es liebreich, ›willst du mir nicht helfen? Du kannst ja doch höher fliegen und schwärmen als alle anderen Vögel.‹
Die Lerche hob ihr Köpfchen auf, hing es auf eine Seite, sah zuerst Christkindchen schmachtend an und dann wieder zur Erde. Endlich schien sie Worte zu finden und flötete leise: ›Liebes Christkind, ich fürchte mich; ich bin so zart und fein, und es wäre gar unweiblich von mir, wenn ich mehr Mut haben wollte als die Männer.‹
So war auch diese Hoffnung dahin – dem Christkindchen liefen zwei große Tränen über die rosigen Wangen, und es hörte kaum, wie der Specht klapperte: ›Welche Zumutung, an die Sonne zu fliegen! Bedanke mich schönstens; ich habe genug zu tun, wenn ich mein redlich Teil klappere und rassele, das gehört zum Handwerk, und alles übrige geht mich nichts an!‹
›Schweigt nur,‹ rief Christkind entrüstet, ›und fliegt wieder in eure Nester; setzt euch recht warm darin zurecht und freut euch, daß ihr das Leben habt. Es ist mir nur leid, daß ich euch gerufen. Meine armen Kinder bekommen nun freilich dieses Jahr keine Christbäume!‹
Und doch! Und doch! Leise schwirrte es durch die Luft, und im nächsten Augenblick saß ein ganz kleines, unscheinbares Vöglein von grauer Farbe, das aber ein zierliches Krönlein auf dem Kopfe trug, welches ihm ein ganz besonderes Ansehn gab, auf Christkinds Schultern.
›Ich will hinfliegen, Christkindchen,‹ sagte es mit einem feinen Stimmchen, ›und habe nur gewartet, bis die großen und vornehmen Herren Vögel gesprochen. Da sie verhindert sind, so ist es nicht unbescheiden von mir, wenn ich dir meine Hilfe anbiete.‹
Ei, ei, wie streckten da die vornehmen Herren Vögel die Hälse neugierig aus und blähten sich auf und schüttelten verächtlich mit den Köpfen! Dabei zischelten sie: ›Ei der Tausend, seht einmal den Herrn Zaunkönig an, wie patzig der sich macht!‹ Christkindlein aber weinte jetzt vor Freude; es drückte das Vöglein an seine Brust, küßte es und rief: ›Flieg, mein lieber, kleiner Vogel, flieg! Du sollst mir auch fortan der liebste im ganzen Walde sein!‹
Und das Vöglein flog, flog, flog, bis nur noch ein schwarzes Pünktchen und dann gar nichts mehr von ihm zu sehen war. Keines rührte sich von seinem Platze, und alles sah hinauf in die Höhe, und Christkindchens blaue Augen leuchteten in überirdischer Freude. Es war auch Christkindlein, das wieder zuerst ganz oben am Himmel einen hellen Punkt erblickte; der Punkt kam näher und näher, bald glänzte er wie ein leuchtender Stern und dann wie eine kleine Sonne, die bald darauf zu Christkindchens Füßen niedersank. Wer konnte das anders sein als der liebe Zaunkönig, der wirklich dem Christkind einen Sonnenstrahl im Schnäblein mitbrachte! Schnell brannte Christkind sein Kerzchen an, ehe der Strahl erlosch, und dann bückte es sich, um nach dem Zaunkönig zu sehen, der noch erschöpft am Boden lag.
Oh, lieber Himmel, wie sah der arme Schelm aus! Die andern Vögel hatten wohl recht gehabt, man fliegt nicht ungestraft zur Sonne, aber derjenige, dem so recht nach dem Lichte verlangt, tut es doch, und wenn er sich auch die Flügel dabei versengt. Denkt euch, Kinder, der arme Zaunkönig hatte nicht ein Federchen mehr auf dem Leib, denn die heißen Sonnenstrahlen hatten sie alle weggebrannt, und er zitterte und fror, daß es
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