Weihnachtsmaerchen Fuer Kinder
zum Erbarmen war.
›Das hat er nun davon!‹ erklärte salbungsvoll der Dompfaffe, und die Elster nickte mit dem Kopf und schrie: ›Ich werde es jeden Tag als warnendes Beispiel meinen Kindern erzählen!‹ Die Nachtigall schwieg, denn im Grunde ihres Herzens schämte sie sich doch ein wenig und mißgönnte dem Zaunkönig fast seinen nackten Leib. Indessen hatte aber der Nikolaus schnell seine Pelzmütze abgerissen, obgleich er sich tüchtig die Ohren dabei erfror, und bettete den Zaunkönig hinein, damit er nicht erfriere, bis er ein neues Kleidchen bekommen.
Dazu mußte schnell Rat geschafft werden. Christkind rührte wieder an sein Schellchen und rief dann: ›Ihr Vögel und Vöglein, höret mich an! Zur Sonne wolltet ihr mir zwar nicht fliegen, und ich werde es auch nie mehr von euch erwarten, noch verlangen, aber für den armen, kleinen Zaunkönig, der mehr gewagt als der stolzeste von euch, nehme ich euer brüderliches Mitgefühl in Anspruch. Gebe ihm jeder von euch eine Feder, damit ich ihm ein neues Kleidchen davon machen kann!‹
Nun predigte Christkind keinen tauben Ohren; an diesem Werke beteiligte sich jeder gern, und jeder wollte dabei der erste sein. Schöne Reden halten und milde Beiträge sammeln, das ist gar nicht gefährlich, sondern sehr angenehm und gibt Ehre und Ansehen vor der Welt. Der Dompfaffe und die Nachtigall stellten sich an die Spitze, forderten die Federn ein, und letztere flötete ihre Bitte so süß, daß keiner widerstehen konnte. Die Elster ermahnte mit lauter Stimme ihre ganze große Bekanntschaft, bei dem milden Werke nicht zurückzubleiben, und versicherte jedermann, sie gäbe zwei Federn. Die müssen aber verlorengegangen sein, denn man hat niemals eine davon auf Zaunkönigs Leib entdecken können. Und doch gab es einen unter den Vögeln, der den ernsten Ermahnungen des Dompfaffen und der süßen Stimme der Nachtigall widerstehen konnte. Das war der Uhu. Er erwiderte mürrisch, die ganze Geschichte gehe ihn nichts an; er sei ein Weiser und Gelehrter und betrachte sich die Welt nur von oben herab. Daß sich der Zaunkönig verbrannt habe, sei eine natürliche Folge seines unvorsichtigen Fluges, und er wolle nicht darunter leiden. Es war dies so neidisch und häßlich von dem Uhu, daß alle Vögel darüber entrüstet waren und ihm erklärten, sie würden nicht mehr mit ihm umgehen. Darum sitzt er auch jetzt immer allein und fliegt nur des Nachts aus, wenn die andern Vögel schlafen. So wie dem Uhu, sollte es auch allen neidischen Menschen und Kindern gehen. – Zum Glück brauchte man Uhus Feder nicht, es waren genug andre da; in einer Minute machte Christkind das neue Kleidchen fertig, streifte es dem Zaunkönig über, und da flog er wieder ganz munter aus der Pelzkappe heraus und sah sich vergnügt um. Dann wollte er sich wieder ganz bescheiden in der Vögelschar verlieren. Christkindchen aber griff mit beiden Händen nach ihm, hielt ihn fest, drückte ihn an sich und sprach: ›Nein, du bleibst bei mir, denn du bist mir fortan der liebste Vogel im ganzen Walde und sollst für immer der Christkindvogel heißen. Wenn ich des Nachts ausreite, fliegst du mit mir und pickst mit deinem kleinen Schnäblein leise an die Schlafstubenfenster, damit die Kindlein merken, wer in der Nähe ist. Komm jetzt gleich mit mir, denn es ist schon fast ganz dunkel, und die Kinder werden mit Schmerzen auf mich warten!‹
Da setzte sich das Vöglein auf Christkinds Schulter; Christkind nahm sein Kerzchen zur Hand, dann hoben beide ihre Flügel auf – und fort waren sie. Knurrend trollte der Nikolaus hinter ihnen den Berg hinab. –«
Der Georg und das Mathildchen merken es sich nun aber recht genau, wie schön es ist, gefällig zu sein, wenn man sich auch ein bißchen weh dabei tut, und nehmen sich fest vor, so gut und bescheiden zu werden wie der Christkindvogel. Den neidischen Uhu mögen sie aber nicht leiden und wollen darum auch selber niemals neidisch sein. – Wenn es wieder Sommer wird, geht die Tante mit den Kindern in den Wald, da besuchen sie den Christkindvogel und bringen ihm ein Stück Kuchen mit.
Fünfte Erzählung
Die Geschichte vom Kräutchen Eigensinn
Der kleine Georg war trotz der schönen Erzählungen der Tante beim Schlafengehen sehr unartig und sehr eigensinnig gewesen, da sagte ihm die Mama: »Nimm dich nur in acht, sonst bringt dir der Nikolaus zu Weihnachten eine Rute vom Kräutchen Eigensinn!«
Als nun die Kinder am andern Abend wieder bei der Tante saßen, da
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