Weihnachtszauber 01
langmütigen Dienstbotin.
„Miss Melicent arbeitet, Madam“, hörte sie Mrs. Lubbock geduldig sagen. Die Haushälterin war ein Schatz, unerschütterlich und zum Glück vollkommen unempfindlich gegen Beleidigungen. „Ich habe nach dem Arzt geschickt ...“
„Ich will ihn nicht sehen!“ Mrs. Durham wurde allmählich schrill. Melicent seufzte.
Sie las noch einmal die Zeilen durch, die sie eben geschrieben hatte.
„Borwick Hall wurde im Stil des späten siebzehnten Jahrhunderts erbaut. Der Salon weist schmückende Stuckelemente auf ...“
Sie seufzte noch einmal. Wie trocken das klang. Mr. Foster, der Antiquar, für den sie arbeitete, mochte in Architekturführern keine blumige Sprache, und so war ihre Prosa so öde, dass selbst der eifrigste Landsitzbesucher dabei einschlief.
Mrs. Lubbocks schwere Schritte dröhnten auf der Treppe, und dann klopfte die Haushälterin leise an die Tür.
„Verzeihung, Miss Melicent, aber Ihre Mama weigert sich, den Arzt zu empfangen.
Ich habe nach Dr. Abbott geschickt, doch er macht einen Hausbesuch, und seine Frau wollte seinen Neffen senden, der über Weihnachten bei ihnen ist, um ihm zu helfen, weil besonders viele Leute gern um diese Zeit krank werden, sagt zumindest Mrs.
Abbott ...“
Mrs. Durhams Klingel schrillte, während gleichzeitig der Klopfer an der Haustür betätigt wurde. Von oben ertönte ein Heulen.
„Lubbock, wo sind Sie?“
Melicent rieb sich die Augen. Sie brannten, nachdem sie einen ganzen Nachmittag bei trübem Winterlicht geschrieben hatte. Eigentlich hätte sie eine Kerze entzünden sollen, doch Kerzen waren ein teurer Luxus, den sie sich leider nicht leisten konnte.
Wieder klopfte es an die Tür. Der Neffe des Arztes war offenbar ein ungeduldiger Mensch.
Mrs. Durhams Heulen wurde lauter.
„Bitte gehen Sie hinauf zu Mama und versuchen Sie, sie ein wenig zu beruhigen“, sagte Melicent erschöpft. „Ich sage dem neuen Arzt, dass Mama ihn im Augenblick nicht empfangen kann. Vermutlich hat Dr. Abbott ihn schon vor Mamas Launen gewarnt, aber er wird sich sicher trotzdem ärgern, dass er den weiten Weg umsonst gemacht hat.“
Mrs. Lubbock stapfte die Treppe hinauf. Melicent erhob sich ein wenig steif und wischte sich die tintenbefleckten Finger an ihrem braunen Wollrock ab. Sie hatte keine Zeit mehr, ihr Erscheinungsbild im Spiegel zu überprüfen. Draußen auf dem Flur war es kalt. Im Winter heizten sie nur den Besuchersalon und Mrs. Durhams Schlafzimmer, in dem es oft ungesund stickig war. Der Rest des Hauses wirkte im Vergleich dazu wie eine Kühlkammer. In der Küche bekam Mrs. Lubbock Frostbeulen an den Händen. Melicent stellte bei der Arbeit ihre Füße immer auf einen heißen Backstein, aber ihre Hände wurden trotzdem manchmal so kalt, dass sie nicht mehr schreiben konnte.
Sie öffnete die Haustür. Ein Schwall kalter Luft wirbelte Pulverschnee herein. Das Wetter ist sogar noch schlimmer, als ich angenommen habe, dachte Melicent. Über den Dächern von Peacock Oak ballten sich düstere graue Wolken.
Sie konnte den Gentleman kaum erkennen, der im Schatten des Vorbaus stand, sah nur, dass er sehr groß und breitschultrig war. Der Wind fuhr ihr boshaft um die Knöchel und ließ sie zusammenschaudern, und so machte sie rasch einen Schritt zur Seite, um den Herrn eintreten zu lassen.
„Bitte kommen Sie doch herein, Sir“, sagte sie. „Sie müssen Dr. Abbotts Neffe sein.
Danke, dass Sie so schnell gekommen sind, aber ich fürchte, Sie haben den Weg umsonst auf sich genommen. Mama möchte heute keinen Besuch empfangen.“ Es gelang ihr nicht ganz, ihre Ungeduld zu verbergen, obwohl sie sich größte Mühe gab.
„Es ist wirklich die Höhe, allen so viel Mühe zu machen, vor allem, wo sie doch weiß, dass wir es uns nicht leisten können zu bezahlen ...“ Der Mann trat einen Schritt vor, und sie konnte ihn sich zum ersten Mal richtig ansehen. Einen langen, entsetzlichen Augenblick weigerte sie sich einfach, ihren Augen zu trauen.
„Sie sind ja gar nicht der Arzt“, sagte sie albern. „Sie sind ...“ Ihre Stimme verklang.
Spöttisch hob der Gentleman eine Augenbraue und verneigte sich dann elegant.
„Dein Ehemann“, sagte er. „In der Tat.“
Wortlos starrte Melicent ihn an. „Alex ...“
Vor Schreck drehte sich ihr der Magen um. Es war unglaublich. Sie konnte all die Fragen, die ihr durch den Kopf jagten, nicht einmal formulieren.
„Was willst du hier?“, erkundigte sie sich. Das schien ihr der beste Anfang.
Alex tat
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