Weihnachtszauber 01
einen anderen Menschen zu übernehmen. Er wollte keine Familie gründen, wollte sich nicht verpflichtet fühlen, Frau und Kinder für den Rest seines Lebens zu lieben.
Ihr fiel ein, was sie in der vorhergehenden Nacht gedacht hatte: Sebastian würde sie niemals so lieben, wie sie ihn liebte; wie sie geliebt werden wollte; wie sie es verdiente, geliebt zu werden.
„Was sollen wir nur tun?“, fragte sie zum zweiten Mal.
„In Bezug auf diese gefährliche Anziehungskraft zwischen uns?“ Ein bekümmertes Lächeln huschte über sein Gesicht.
Wie einen Stich spürte Clara den scharfen Schmerz, der sie durchzuckte. Trauer und Sehnsucht erfüllten sie. Wenn Sebastian doch nur seine Angst vor menschlicher Nähe überwinden könnte!
„Es gibt nichts, das wir tun könnten. Sie sind eine Frau, die ich nur haben kann, wenn ich sie heirate. Das muss ich akzeptieren.“
Seine Stimme klang ruhig, und doch war Clara, als schwinge etwas wie Verzweiflung darin mit. Nach allem, was geschehen war, stand wohl fest, dass er sie mehr begehrte als jede andere Frau.
Es wurde still im Raum. Nur die brennenden Holzscheite im Kamin knisterten. Das Feuer strömte eine angenehme Wärme aus. Dennoch fröstelte Clara. Noch vor Kurzem – es konnte kaum länger als eine halbe Stunde her sein – war sie davon überzeugt gewesen, dass sie sich niemals über jene Verhaltensregeln hinwegsetzen würde, die sie selbst für richtig hielt. Nie hätte sie geglaubt, dass sie jemals bereit sein würde, vor der Ehe Dinge zu tun, die einer verheirateten Frau vorbehalten sein sollten. Doch inzwischen hatte sie das Feuer der Leidenschaft kennengelernt und verzehrte sich nach einer Wiederholung all dessen, was Sebastian ihr gezeigt hatte.
Und nicht nur das. Sie wollte noch mehr. Sie wollte mit ihm all das erleben, was ein Paar im Ehebett miteinander tat. Er hatte ihr Verlangen geweckt, und nun hungerte sie nach seinen Küssen, nach seinen Liebkosungen, nach dem wilden lustvollen Taumel, in den er sie hineingerissen hatte.
„Sebastian?“
Er wusste, was dieser Ton zu bedeuten hatte. Und richtig, Claras Blick verriet unmissverständlich, wie sehr sie sich nach einer weiteren Unterrichtsstunde in der körperlichen Liebe sehnte. Er trat zu ihr, ließ sich vor ihr auf die Knie sinken und griff nach ihren Händen. „Clara ...“
Lange schauten sie einander in die Augen. Dann endlich schüttelte Clara den Kopf.
„Ich kann und darf es nicht tun. Wenn es nur um mich ginge, ja ... Aber ...“ Sie unterbrach sich, weil es ihr unsagbar schwerfiel, die richtigen Worte zu finden. Es war unmöglich, Sebastian zu gestehen, dass sie ein so heftiges und – wie sie glaubte
– undamenhaftes Verlangen nach ihm empfand. Also sagte sie nur: „Ich möchte nicht, dass die Freundschaft zwischen Ihnen und meinem Bruder zerbricht. Auch könnte ich es nicht ertragen, wenn Sie meinetwegen Ihre Stellung in der Gesellschaft verlören.“
„Sie wären es wert, Clara“, gab er leise zurück und umfasste ihre Finger fester. „Ich würde mit Freude auf mein Geld, meine Stellung und meine Freunde verzichten, wenn ich Sie nur eine Weile ganz für mich allein haben könnte.“
In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sie war finanziell unabhängig. Und sie konnte sich nicht vorstellen, jemals einen anderen Mann zu heiraten. Denn mit der ganzen Hartnäckigkeit, die ihrem Charakter zu eigen war, liebte sie Sebastian. Er bedeutete ihr mehr als alles andere auf der Welt. Was also sollte sie daran hindern, eine Zeit lang als seine Geliebte zu leben, da er doch nicht bereit war, mit ihr vor den Altar zu treten?
Die Antwort drängte sich auf: Es war ihre Erziehung, die ihr eine solche Entscheidung verbot, und das Bedürfnis, nicht ausgestoßen zu werden. Sie wollte ihren guten Ruf, ihre Familie und ihren Freundeskreis nicht verlieren. Sie wollte nicht auf all das verzichten, was bisher selbstverständlich für sie gewesen war. Sie vermochte dieses geordnete Leben nicht für ein paar Monate voller Leidenschaft aufzugeben. Denn was sie sich wirklich wünschte, würde Sebastian ihr nicht geben können. Er hatte ihr gestanden, dass er unfähig sei zu lieben. Das war ja der Grund dafür, dass er die Ehe scheute. Was also hatte er ihr wirklich zu bieten? Eine begrenzte Zeit voller Seligkeit, auf die viele Jahre der Einsamkeit und Verzweiflung folgen würden.
Er gab ihre Hände frei, erhob sich und trat zum Fenster. In die Nacht hinausschauend erklärte er, so, als habe er ihre
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