Weihnachtszauber 01
mit dem anderen Familienschmuck zur Aufbewahrung bei seiner Bank hinterlegt. Und dort sollten sie auch bleiben. Denn er würde nie heiraten.
Seine Mutter hatte sich nie von dem Verlust ihres jüngsten Sohnes, des kleinen Oliver, erholt. Es war furchtbar, das eigene Kind zu überleben, unnatürlich und vollkommen falsch. Sebastian fröstelte, als er daran dachte, welch schreckliche Bürde er seinen Eltern auferlegt hatte. Wenn er Oliver hätte retten können, wäre alles anders gekommen. Doch er hatte versagt.
Plötzlich war ihm entsetzlich kalt, und er eilte zum Kamin, um in dem Lehnstuhl am Feuer Platz zu nehmen. Vielleicht sollte er die Porträts irgendwo anders hinbringen lassen. An ihrer Stelle könnte man zwei Jagdszenen oder ein paar hübsche Landschaftsgemälde aufhängen. Nur gut, dass es im ganzen Haus kein einziges Bild von Oliver gab, das ihn an das schreckliche Ereignis hätte erinnern können.
Es klopfte, und Perch streckte den Kopf ins Zimmer. „Euer Gnaden, Geschenke für Kinder jeden Alters kauft man am besten in Hamley’s Emporium.“
„Hamley’s also. Gut. Ich werde mich später auf den Weg dorthin machen.“
Einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen zu können war eine große Erleichterung.
Es war schon spät, als jemand den Klopfer am Haupteingang von Davencourt House betätigte.
Clara saß in der Bibliothek und las. Juliana und Martin hatten die Einladung zu einer Dinnergesellschaft angenommen, und Mrs. Boyce war bereits zu Bett gegangen.
Eigentlich hatte auch Clara sich früh zurückziehen wollen. Doch dann hatte Miss Austens Roman „Verstand und Gefühl“ sie so gefangen genommen, dass sie alles um sich herum vergessen hatte. Sie hatte nicht einmal gehört, wie die Uhr auf dem Kaminsims Mitternacht schlug.
Das Klopfen an der Haustür allerdings ließ sie aufschrecken. Wer, um Himmels willen, kam auf die Idee, um diese Zeit einen Besuch zu machen? Sie hörte, wie der Butler durch die Eingangshalle schritt, dann das Knarren der schweren Tür und einen mit gedämpfter Stimme geführten Wortwechsel.
Jetzt wurde Segsbury etwas lauter. „Es tut mir leid, Euer Gnaden“, sagte er, „aber Mr.
Davencourt ist nicht daheim.“
Euer Gnaden?
Clara richtete sich so abrupt auf, dass das Buch von ihrem Schoß rutschte und polternd zu Boden fiel. War es denkbar, dass Fleet um diese Zeit vor der Tür stand?
Nein, unmöglich. Es sei denn, er hätte sich mit Martin zu einem Glas Cognac verabredet, um über die letzten politischen Entwicklungen zu sprechen.
„Oh, dann muss ich etwas falsch verstanden haben“, sagte Sebastian, dessen Stimme sein Unbehagen verriet. „Wenn Sie so freundlich wären, Mr. Davencourt morgen diese Päckchen zu überreichen? Es handelt sich um Weihnachtsgeschenke für die Zwillinge.“
Etwas raschelte. Und Clara konnte ihre Neugier nicht länger zügeln. Sie verließ die Bibliothek und eilte in die Eingangshalle.
„Miss ...“, begann der Butler, der über ihr Auftauchen sichtlich schockiert war.
„Verzeihen Sie, Miss Davencourt. Ich dachte, Sie hätten sich bereits zurückgezogen.“
„Schon gut, Segsbury.“ Mit einem Lächeln wandte sie sich Fleet zu. „Guten Abend, Euer Gnaden.“
„Miss Davencourt.“ Er verbeugte sich. Doch soweit Clara sehen konnte, lächelte er nicht. Im schwachen Licht der Kerze, die auf einem Tischchen in der Nähe der Tür stand, war sein Gesichtsausdruck nicht deutlich zu erkennen. Dennoch konnte Clara sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er irgendwie grimmig dreinschaute.
Jetzt bemerkte sie, dass ihr Herz viel zu schnell schlug. Verflixt! Sie hatte Fleet trotz allem, was am Abend zuvor geschehen war, sehen wollen. Auch wenn sie es nicht hatte wahrhaben wollen, so hatte sie doch einem Treffen mit ihm entgegengefiebert. Sonst hätte sie einfach in der Bibliothek bleiben und darauf warten können, dass Segsbury den späten Besucher fortschickte.
Schon wieder hatte sie sich unvernünftig benommen.
Das zu einer undurchdringlichen Maske erstarrte Gesicht des Dukes schien nicht zu dem Mann zu gehören, mit dem sie hatte sprechen wollen. Es war offensichtlich, dass er Distanz zu ihr suchte. Wie typisch für ihn! Nachdem er ihr einmal nahegekommen war, zog er sich sogleich wieder zurück. Man hätte meinen können, sie habe alles, was auf Lady Cardaces Ball geschehen war, nur geträumt.
„Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich mich verabschieden, Miss Davencourt“, sagte Sebastian. „Ich bin nur vorbeigekommen, um Geschenke für
Weitere Kostenlose Bücher