Weihnachtszauber 01
Gedanken gelesen: „Ich würde Sie nicht fragen, selbst wenn ich glaubte, dass Sie Ja sagen könnten. Sie sind nun mal keine Frau, die in einer solchen Situation glücklich würde.“
Er hatte recht. Das wussten sie beide. Dies war also das Ende. Clara spürte, wie sich eine bleierne Schwere auf sie senkte.
„Und was sollen wir nun tun?“, wiederholte sie ihre Frage, diesmal in einem Ton, der Hoffnungslosigkeit verriet.
„Wir dürfen einander nicht wiedersehen. Das ist die einzige Möglichkeit.“
Clara schüttelte den Kopf. „Wie stellen Sie sich das vor? Wir verkehren in denselben Kreisen. Sie sind mit meinem Bruder befreundet und treffen ihn regelmäßig. Früher oder später werden wir uns irgendwo begegnen. Das lässt sich gar nicht verhindern.
O Gott, wie soll es nur weitergehen?“
Sebastian wandte ihr noch immer den Rücken zu, sodass sie sein Gesicht nicht sehen konnte. „Ich könnte England verlassen.“
„Nein!“ Sie hatte diesen verzweifelten Ausruf nicht unterdrücken können. Wenn sie es schon kaum zu ertragen vermochte, Sebastian zu begegnen, so vermochte sie es ganz gewiss überhaupt nicht zu ertragen, ihn nicht mehr zu sehen. Aber noch schlimmer war, dass er ihretwegen fortgehen würde. Sie wollte nicht, dass er dieses Opfer brachte. Unvorstellbar, dass er sein Haus schließen, seine herzoglichen Pflichten anderen übertragen und seine Freunde zurücklassen wollte, um irgendwo in der Fremde zu leben!
„Vielleicht“, überlegte sie laut, „wird es nach einiger Zeit einfacher.“
„Das glaube ich kaum.“ Sebastian hörte sich jetzt nicht mehr ganz so bedrückt an.
„Nicht, solange ich Sie nur anzuschauen brauche, um den unwiderstehlichen Wunsch zu verspüren, Sie bis zur Besinnungslosigkeit zu küssen, Ihnen die Kleider vom Leib zu reißen und Sie überall zu liebkosen. Ich möchte Sie immer wieder besitzen, so lange, bis Sie befriedigt und völlig erschöpft in meinen Armen liegen.“
Unbehaglich rutschte Clara auf ihrem Stuhl hin und her. Die seltsame Mischung aus deutlich erinnerter Erfüllung und neuem Verlangen verwirrte sie. „Bitte, sagen Sie so etwas nicht!“
„Es tut mir leid ...“
Sie wusste, dass er sich nicht nur für seine Worte entschuldigte, sondern vor allem dafür, dass er ihr nicht geben konnte, wonach sie sich so sehnte.
In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen. Clara und Sebastian zuckten zusammen wie schuldbewusste Schulkinder. So sehr waren sie mit ihren Problemen beschäftigt gewesen, dass sie nicht gehört hatten, wie die Haustür geöffnet wurde.
Sie hatten weder die Stimmen der Heimkehrenden noch die sich der Bibliothek nähernden Schritte wahrgenommen.
Juliana und Martin blieben an der Tür stehen. Hinter ihnen war Segsburys steif aufgerichtete Gestalt zu erkennen. Er schien zutiefst schockiert darüber zu sein, den Duke noch immer im Haus vorzufinden, obwohl der sich doch vor mindestens einer halben Stunde zum Gehen gewandt hatte. Juliana sah besorgt aus und Martin wütend.
Clara hätte beinahe hysterisch losgelacht.
Glücklicherweise saß sie mehrere Fuß von Fleet entfernt, der nach wie vor am Fenster stand. Natürlich gehörte es sich nicht, dass eine unverheiratete Dame und ein Gentleman sich allein in einem geschlossenen Raum aufhielten. Doch eindeutig kompromittierend war ihre Situation nicht. Es sei denn, ihre Gesichter hätten verraten, was sich zwischen ihnen zugetragen hatte ...
„Eine äußerst ungewöhnliche Zeit für einen Besuch, Sebastian“, stellte Martin fest.
Man hätte meinen können, er wäre die Freundlichkeit selbst, hätte es da nicht diesen eisigen Unterton in seiner Stimme gegeben. „Segsbury erwähnte, dass du Geschenke für die Kinder vorbeigebracht hast.“
„Ja.“ Mit Mühe gelang es Fleet, die Fassung zu wahren. „Ich hoffe, ich habe das Richtige für die Zwillinge gewählt. Doch nun bitte ich dich und die Damen, mich zu entschuldigen. Es ist spät, wie du so richtig bemerkt hast, Martin.“ Er verbeugte sich vor Juliana, ehe er sich kurz Clara zuwandte.
Martin rührte sich nicht. Doch Clara spürte, dass er nicht bereit war, seinen Freund so einfach davonkommen zu lassen. Wie ein dicker Kloß saß ihr die Angst in der Kehle.
Da machte Juliana ein paar Schritte nach vorn und legte Fleet die Hand auf den Arm.
„Mein lieber Sebastian, wie nett von Ihnen, die Geschenke persönlich herzubringen!“ Geschickt steuerte sie mit ihm auf die Tür zu. Und tatsächlich gab Martin den Weg frei.
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